Im Gespräch
Zukunft der betrieblichen Betreuung
Aktuell wird eine Anpassung des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) bzw. der DGUV Vorschrift 2 und die Einbeziehung weiterer Professionen in die Betreuung der Betriebe diskutiert. Die Basi sprach darüber mit Dr. Walter Eichendorf, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Können Sie uns bitte einen Überblick über den Stand der Planungen geben?
Wir streben die formale Absicherung der derzeit bereits in der Praxis üblichen Einbeziehung weiterer Professionen in die Betreuung der Betriebe über eine Anpassung der DGUV Vorschrift 2 an. Die Details werden derzeit in einer Projektgruppe erörtert. Dass es zusätzlich zu einer Änderung des ASiG kommen wird, ist zurzeit eher unwahrscheinlich.
Die fachliche Unterstützung im Arbeitsschutz sollte sich am Bedarf der Betriebe orientieren. Dies war schon Leitgedanke der letzten Anpassung der DGUV Vorschrift 2. Welche Professionen sind unter diesem Gesichtspunkt für eine zeitgemäße Betreuung erforderlich?
Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, insbesondere Personen mit Hochschulabschluss in Arbeits- und Organisationspsychologie, Arbeitshygiene, Arbeitswissenschaft/Ergonomie oder Gesundheitswissenschaften vor dem Hintergrund der zunehmend komplexeren Anforderungen aus der Arbeitswelt an die betriebliche Prävention bedarfsgerecht einzusetzen. In den vorgenannten Studiengängen werden bereits viele Kompetenzen erworben, die grundsätzlich einen Einsatz in der betrieblichen Betreuung nach einer ergänzenden Qualifizierung ermöglichen. Spezifische Einsatzfelder ergeben sich aus den Schwerpunkten der jeweiligen Studiengänge, z. B. bezogen auf Arbeits- und Organisationspsychologen die Beratung des Unternehmers hinsichtlich psychischer Belastungen im Betrieb.
In Großbetrieben finden wir heute schon alle von Ihnen genannten Disziplinen. Kleine Unternehmen haben zwar auch den Bedarf an einer fachlich breit aufgestellten Unterstützung, in aller Regel aber nicht die Möglichkeiten dazu, diese in Anspruch zu nehmen. Wie will die geplante Änderung der DGUV Vorschrift 2 darauf eingehen?
Wir wissen, dass Großbetriebe und große überbetriebliche Dienste diese Professionen seit Jahren regelmäßig einsetzen. Der Einsatz weiterer Professionen soll aber auch Kleinbetrieben bedarfsorientiert ermöglicht werden. Hierfür soll die DGUV Vorschrift 2 die Grundlage bieten. Zur besonderen Unterstützung der Kleinbetriebe wird zudem ein Zentrumsmodell für die betriebliche Betreuung entwickelt und aktuell ein Pilotprojekt hierzu vorbereitet.
Was besagt das so genannte Zentrumsmodell?
Mit dem Zentrumsmodell wird angestrebt, perspektivisch den Anteil der betreuten Kleinbetriebe (bis 50 Beschäftigte) insgesamt zu erhöhen und die Betreuungsqualität zu verbessern. Dazu sollen über ein Zulassungsverfahren bei der DGUV möglichst alle interessierten und geeigneten auf dem Markt vorhandenen Anbieter von betriebsärztlicher und sicherheitstechnischer Betreuung einschließlich vorhandener geeigneter weiterer Professionen und ihre Leistungen bzw. freien Kapazitäten ermittelt werden. Anschließend sollen diese über eine Stelle bei der DGUV bei Bedarf an die Unfallversicherungsträger bzw. die Betriebe vermittelt werden. Dabei werden eine sinnvolle Vernetzung von vorhandenen Betreuungskapazitäten, möglichst kurze Wegezeiten zwischen den zu betreuenden Kleinbetrieben und eine einheitliche und angemessene Vergütung der Anbieter über die beteiligten Unfallversicherungsträger angestrebt.
Können wir bezüglich einer multidisziplinären Unterstützung im Arbeitsschutz von anderen Ländern lernen, so z. B. von der Einbeziehung weiterer Professionen in diesem Bereich in Österreich?
Ja, in den meisten Ländern der europäischen Union können weitere Professionen zur bedarfsgerechten Unterstützung des Unternehmers eingesetzt werden. In Österreich zum Beispiel können weitere Professionen bis zu 25 Prozent der ermittelten Einsatzzeit erbringen.
Eine heiß diskutierte Frage zum Schluss: Gibt es nun eine Betreuungslücke bei den Betriebsärzten oder nicht?
Sowohl die Ergebnisse der BAuA-Studie „Arbeitsmedizinischer Betreuungsbedarf in Deutschland“ von 2014, als auch Hinweise aus den Präventionsdiensten der Unfallversicherungsträger sowie die Ergebnisse der Evaluation der DGUV Vorschrift 2 zeigen deutlich fehlende betriebsärztliche Ressourcen mit einem Schwerpunkt in ländlichen Regionen Deutschlands.
Betriebsärzte werden z. B. vor Hintergrund der wachsenden Bedeutung von Inklusion dringend gebraucht. Was muss kurz- und langfristig geschehen, damit der Bedarf an Betriebsärzten gedeckt werden kann?
Hierzu hat ein Expertenkreis der DGUV Vorschläge erarbeitet, die besagen, wie wir auch in Zukunft die betriebsärztliche Betreuung der Betriebe gewährleisten können. Er schlägt zum Beispiel vor, den arbeitsmedizinischen Nachwuchs zu fördern, die Weiterbildungsmöglichkeiten für Medizinerinnen und Mediziner zu verbessern, weitere Professionen in die betriebliche Betreuung einzubeziehen und die Betreuung von Kleinbetrieben in einem trägerübergreifenden Zentrumsmodell anzubieten. Auch die verstärkte Delegation von arbeitsmedizinischen Tätigkeiten, die nicht durch die Ärztin bzw. den Arzt persönlich erbracht werden müssen, auf medizinisches Hilfspersonal soll dazu beitragen, dass die betriebsärztlichen Ressourcen gezielter eingesetzt werden können, auch dort wo Mangel besteht. Alle diese Vorschläge wurden in der Mitgliederversammlung 1/2017 der DGUV einstimmig beschlossen (Details siehe hier, Seite 27-29).