Im Gespräch
Welttag der Ersten Hilfe 2018: Ersthelfer – in Notfällen für Kollegen da sein
Was tun, wenn ein Kollege einen Unfall oder einen Herzinfarkt am Arbeitsplatz erleidet? Dr. Horst Reuchlein, Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) und Leiter des Fachbereichs Erste Hilfe der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) weiß, wie wichtig Ersthelfer im Betrieb sind. Im Basi-Interview zum Welttag der Ersten Hilfe am 8. September 2018 erläutert er, wie man Menschen für diese Aufgabe motiviert und was diese wissen müssen.
Stimmt der Eindruck, dass immer mehr Menschen sich immer weniger mit den wichtigsten Erste-Hilfe-Maßnahmen auskennen?
Erfreulicherweise stimmt das so nicht, wie eine Auswertung des Deutschen Reanimationsregisters zeigt, die auf einer medizinischen Fachtagung in Bad Boll kürzlich vorgestellt wurde: In Deutschland sind immer mehr Menschen in der Lage, bei Personen mit einem Herzstillstand eine Herzdruckmassage durchzuführen. So beginnen in circa 40 Prozent der Fälle die Ersthelfer mit einer Herzdruckmassage; vor sieben Jahren sind es nur 17 Prozent gewesen. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld. Die Unfallversicherungsträger tragen dazu bei, dass ein fundiertes Wissen in Erster Hilfe in der Bevölkerung vorhanden ist: Sie lassen mittlerweile über zwei Millionen Versicherte im Jahr aus- und in regelmäßigen Abständen fortbilden. Auch das im Jahre 2015 eingeführte, noch stärker praxisorientierte Ausbildungskonzept verbessert die Handlungskompetenz der Ersthelfer.
Was sollten Ersthelfer wissen bzw. können, um Kollegen am Arbeitsplatz im Notfall richtig zu helfen?
Der Ersthelfer sollte mit den Themen „Bewusstlosigkeit und Wiederbelebung“ vertraut sein. Aber auch die Wundversorgung sowie Maßnahmen bei Verletzungen der Muskeln, Gelenke und Knochen und Maßnahmen bei akuten Erkrankungen wie etwa einem Schlaganfall sollten beherrscht werden. Darüber hinaus sollte man auch wissen, wie Verletzte betreut werden. Die notwendigen Erste-Hilfe-Kenntnisse werden im Rahmen der betrieblichen Erste-Hilfe-Aus- und Fortbildung vermittelt.
Wie können Menschen im Betrieb dazu motiviert werden, sich als Ersthelfer ausbilden zu lassen?
Ersthelfer leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit und Gesundheit im Unternehmen. Sie gewinnen dadurch Anerkennung und Wertschätzung und tragen zu einer positiven Unternehmenskultur bei. Außerdem darf man nicht vergessen, dass Kenntnisse und Erfahrungen in Erster Hilfe auch im Privatleben wichtig und nützlich sind, z.B. für mögliche Notfälle im familiären Umfeld oder im Sportverein. Jugendliche können die betriebliche Erste-Hilfe-Ausbildung auch zum Erwerb des Führerscheins nutzen.
Wie wird man zum Ersthelfer?
Bevorzugt geschieht dies auf freiwilliger Basis. Sowohl die Ausbildung zum Ersthelfer als auch die Fortbildung umfassen jeweils neun Unterrichtseinheiten. Die Erste-Hilfe-Ausbildung legt den Schwerpunkt auf die Vermittlung von lebensrettenden Maßnahmen, beispielsweise bei Bewusstlosigkeit sowie grundsätzlicher Handlungsabläufe. Bei der Fortbildung können darüber hinaus branchenspezifische Themen und Schwerpunkte eingebracht werden. Ersthelfer müssen von zertifizierten Stellen aus- und fortgebildet werden.
Was gehört zu ihrem Aufgabenfeld?
Vor allem müssen Ersthelfer bei einem Notfall einsatzbereit zur Stelle sein und helfen. In Betrieben müssen leichtere Verletzungen im Rahmen der Ersten Hilfe versorgt und gegebenenfalls der Transport zur ärztlichen Behandlung in die Wege geleitet werden. Darüber hinaus kann der Ersthelfer damit beauftragt werden, Erste-Hilfe-Leistungen zu dokumentieren. Diese Aufzeichnungen dienen als Nachweis, dass sich die Verletzung oder Erkrankung während der Arbeitszeit ereignet hat. Dies könnte wichtig sein, falls Spätfolgen eintreten sollten. Als weitere Aufgabe kann dem Ersthelfer auch die Kontrolle über das Erste-Hilfe-Material wie den Verbandkasten übertragen werden.
Haben sich die Situationen, bei denen Erste Hilfe am Arbeitsplatz notwendig wird, mit der Zeit geändert?
Faktoren wie demographischer Wandel, längere Lebensarbeitszeit, weniger körperliche dafür aber höhere psychomentale Beanspruchungen der Beschäftigten führen dazu, dass die Anzahl an internistischen Notfällen, z.B. Herzinfarkte oder Schlaganfälle am Arbeitsplatz zunehmen. Die Zahl der Arbeitsunfälle sinkt hingegen, was insbesondere an der konsequenten Umsetzung des Arbeitsschutzes liegt. Die Auswertung von Notfalleinsätzen in diversen Unternehmen zeigen, dass mittlerweile rund die Hälfte der Einsätze auf akute Erkrankungen zurückzuführen sind.
Welche Vorschriften gibt es für Betriebe?
Das Thema „Ersthelfer im Betrieb“ ist im Arbeitsschutzgesetz sowie auch in der von den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen erlassenen DGUV-Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ geregelt. In Bezug auf die Anzahl von Ersthelfern gibt es konkrete Vorgaben: So muss in Betrieben bis zu 20 anwesenden Beschäftigten mindestens ein Ersthelfer zur Verfügung stehen. In Betrieben mit mehr als 20 anwesenden Beschäftigten sind dies im Verwaltungsbereich mindestens fünf Prozent und in sonstigen Bereichen, z.B. Produktionsbereichen zehn Prozent der anwesenden Beschäftigten. Der Betrieb muss beispielsweise über ein Erste Hilfe Plakat publik machen, wer die Ersthelfer sind.
Wie oft sollen die Kenntnisse von Ersthelfern aufgefrischt werden?
Hierzu macht die DGUV Vorschrift 1 eindeutige Vorgaben. So ist die Fortbildung von Ersthelfern in der Regel in Abständen von zwei Jahren obligatorisch.