Im Gespräch:

Weltgesundheitstag 2017:
Depression – Hilfe im Job

Das Motto des Weltgesundheitstages 2017 „Depression – Let’s talk” gilt auch am Arbeitsplatz: Dort muss darüber geredet werden, wenn Betroffene mit einer depressiven Krise oder Erkrankung auffallen – etwa weil sie sich zurückziehen oder die gewohnte Leistung nicht mehr erbringen können. Jährlich erkranken laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) allein in Deutschland rund 5,3 Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen Depression. Lediglich ein Drittel von ihnen nimmt professionelle Hilfe in Anspruch. Was getan werden kann, um betroffenen Mitarbeitern zu helfen, erklärt Susanne Dreisch, Referentin für Betriebliches Gesundheitsmanagement/Mitarbeiter- und Führungskräfteberatung in der Abteilung Produktmanagement der B·A·D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH im Basi-Interview.

Wie kann der Betriebsarzt / die Betriebsärztin Betroffene unterstützen?

Die betroffenen Mitarbeiter kommen entweder mit einer entsprechenden Diagnose zum betriebsärztlichen Dienst oder sie werden von ihrer Führungskraft dorthin geschickt, weil sie in ihrem Arbeits- und Sozialverhalten auffällig geworden sind. Der Betriebsarzt wird dem betroffenen Mitarbeiter erst einmal gut zuhören, um die Symptome richtig einzuschätzen, Dann wird er Empfehlungen für wirksame Hilfestellungen – von der Beratung bis zur Therapie – aussprechen. Dabei ist oft schon die Konsultation der betrieblichen Sozialberatung (bei B·A·D Mitarbeiter- und Führungskräfteberatung genannt) hilfreich. Den Beratern geht es vor allem darum, gemeinsam mit dem Mitarbeiter einen Weg zu finden, damit er die zuvor empfundenen Überforderungen bewältigen und seine Arbeit wieder uneingeschränkt aufnehmen kann, so dass ihm die durchaus sinnvolle tägliche Struktur des Arbeitsalltags erhalten bleibt. Aus der Verzahnung von betriebsärztlichen und beraterischen Angeboten im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements ergibt sich sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer eine Win-win-Situation. Einerseits können die Betroffenen bei frühzeitiger Feststellung der Symptome rasch stabilisiert werden, andererseits profitiert das Unternehmen von geringeren Fehlzeiten. Die Mitarbeiter- und Führungskräfteberatung der B·A·D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH wird künftig mit den Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen kooperieren und wie ein „Lotse“ den betroffenen Mitarbeiter kurzfristig in einen Sprechstundentermin und damit zu einer passenden Therapie leiten.

Wo können sich Kollegen und Vorgesetzte Hilfestellung im Umgang mit betroffenen Kolleginnen oder Kollegen holen? Gibt es dafür „goldene Regeln“?

Die Mitarbeiter- und Führungskräfteberatung ist auch hier die richtige Anlaufstelle. „Goldene Regeln“ gibt es nicht, weil jeder Krankheitsfall eine individuelle Geschichte hat. Wir bestärken Führungskräfte und Kollegen häufig darin, dass sie den Mitarbeiter auf die beobachteten Verhaltensänderungen ansprechen. Im Vier-Augen-Gespräch sollten sie nicht nur die innerbetrieblichen Interessen im Auge behalten, sondern Empathie für die Situation des Mitarbeiters zeigen und ihm geeignete Unterstützungsangebote nahelegen (Betriebsarzt, betriebliche Sozialberatung, telefonische Beratung, Betriebsrat). Ein konstruktiver Veränderungsprozess kann oft nur angestoßen werden, wenn der betroffene Mitarbeiter durch geeignete Maßnahmen am Arbeitsplatz gefördert, aber – zum Beispiel auch durch höhere Selbstverantwortung – gefordert wird. Weder soll seine Situation die Zusammenarbeit des Teams langfristig vor eine Zerreißprobe stellen noch soll die Überlastung anderer Mitarbeiter eintreten. Dies gilt es ebenso im Blick behalten wie auch den Veränderungsprozess des Betroffenen positiv zu begleiten.

Was kann der Betriebsrat tun?

Er sollte zunächst dazu beitragen, dass die Themen psychische Erkrankungen und insbesondere Depression im Unternehmen enttabuisiert werden. Dazu gehört, dass sich die Vertreter der betrieblichen Mitbestimmung über geeignete Präventionsmaßnahmen sowie Unterstützungsangebote für Betroffene im Betrieb informieren. Das breite Spektrum der Maßnahmen, die im Betrieb implementiert werden können, umfasst unter anderem die Beratung der Kollegen, die erfahren möchten, wie sie mit Menschen mit Depressionen angemessen umgehen sollten. So werden Berührungsängste abgebaut. Die Botschaft sollte dabei sein: Depressionen können jeden treffen, aber sie zählen zu den psychischen Erkrankungen, die gut behandelbar sind, sei es durch wirksame Therapien und/oder Medikamente. Eine weitere wichtige Maßnahme, die der Betriebsrat mitinitiieren kann, ist die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz. Dadurch können Einflüsse, die die Psyche gefährden, identifiziert und gegebenenfalls geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Worauf ist beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) besonders zu achten?

Trotz vielfältiger Unterstützung ist es nicht immer möglich, eine Depression oder eine tiefgreifende Krise, die etwa durch den Verlust eines nahestehenden Menschen entstanden ist, ambulant zu behandeln während der Betroffene am Arbeitsplatz verbleiben kann. Eine stationäre Therapie oder Rehabilitationsmaßnahme ist in diesen Fällen sinnvoll. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht und raten Betroffenen und Führungskräften, auch während der stationären Behandlung in Kontakt zu bleiben. Wenn die Betroffenen anschließend in den Job zurückkehren, empfehlen wir den Prozess des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (kurz: BEM), der idealerweise von einem Mitarbeiter- und Führungskräfteberater begleitet werden sollte. Während der Wiedereingliederungsphase geht es darum, eine Balance zwischen den Bedürfnissen des Betroffenen und den Ansprüchen des Teams sowie der Führungskraft zu finden. Häufig initiiert der behandelnde Hausarzt den stundenweisen Wiedereinstieg des Betroffenen – auch „Hamburger Modell“ genannt, geregelt durch Paragraf 84 des Sozialgesetzbuches IX.

Zu den leitenden Fragen der Wiedereingliederung zählen: Gibt es Belastungsquellen, die sich negativ auf den Genesungsprozess auswirken? Wie gut kann der betroffene Mitarbeiter wieder arbeiten oder liegen Leistungseinschränkungen vor – wenn ja, welche? Als Mitarbeiter- und Führungskräfteberaterin habe ich beispielsweise einen Wiedereingliederungsprozess begleitet, in dem ein Callcenter-Agent der unter einer depressiven Erkrankung litt, nach einer längeren stationären Rehabilitationsmaßnahme im Rahmen des BEM-Prozesses zunächst eine Zeitlang im Backoffice Reklamationen bearbeitete. Erst nach und nach nahm er wieder die üblichen Telefonate auf, anfangs noch begleitet von einem Paten, der ihn unterstützte. Durch ein gezieltes BEM gelang ihm schließlich der Wiedereinstieg in den früheren Aufgabenbereich.

Um Mitarbeiter mit einer depressiven Erkrankung frühzeitig und wirkungsvoll zu unterstützen und einer passenden Therapie und Behandlung zuzuführen, ist die Aufmerksamkeit und Sensibilität der Führungskraft und der Kollegen notwendig. Es braucht Mut und Empathie, die Betroffenen anzusprechen und ihnen die innerbetrieblichen Unterstützungsangebote zugänglich zu machen. So erfahren die Betroffenen Verständnis für ihr individuelles Leid. Fachkundige psychologische Beratung und Begleitung versetzt sie wieder in die Lage einen Veränderungsprozess anzustoßen und geeignete Maßnahmen einzuleiten.

Weitere Auskünfte gibt es beim B·A·D

Hilfreiche Links für Interessenten und/oder Betroffene: