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Was das Smartphone bei Jugendlichen im Job bewirkt

Wenn Jugendliche ständig zum Smartphone greifen, dann wirkt sich das auf ihr Arbeitsverhalten aus. Pünktlich zum A+A Kongress 2017 ist zum Thema „Jugendliche und Digitale Medien“ eine aktuelle Studie erschienen,  die Professor Dr. Manfred Betz, zuständig für Betriebliches Gesundheitsmanagement und Arbeitsmedizin im Fachbereich Gesundheit der Technischen Hochschule Mittelhessen, vorgestellt hat. Im Interview erklärt Professor Betz, welche Risiken der Umgang mit digitalen Medien mit sich bringt – aber auch, wie ältere Kollegen von den Kenntnissen der „Digital Natives“ profitieren können.

Welche Rolle spielen digitale Medien im Leben von Jugendlichen?

Betz: Die Nutzung digitaler Medien dominiert den Alltag von Jugendlichen. Etwa die Hälfte ihrer wachen Zeit am Tag verbringen sie mit Smartphone & Co. Jugendliche mit hoher Medien-Nutzung sind im Vergleich zu Gleichaltrigen, die diese nicht so häufig nutzen, weniger ausgeruht und leistungsfähig. Sie fehlen häufiger am Arbeitsplatz und in der Schule, leiden öfter unter Schlafstörungen und um ihr Wohlbefinden ist es nicht gut bestellt. Zudem bewegen sie sich im Alltag weniger, essen unregelmäßiger und ungesünder, rauchen häufiger und trinken mehr Alkohol. Junge Menschen, die ihr Smartphone überdurchschnittlich stark aktivieren, schlafen am Wochenende weniger und schlechter, sie nehmen mehr aufputschende Getränke zu sich. Konzentriertes und effektives Arbeiten ist so nicht möglich.

Kann man von einer Internet-Sucht sprechen?

Betz: Tatsächlich ist der Konsum der meisten legalen und illegalen Drogen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen rückläufig. Stattdessen nehmen Suchterkrankungen durch digitale Medien stetig zu. Laut dem Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung sind ca. 250 000 14- bis 24-Jährige internetabhängig. Weitere 1,4 Millionen gelten als problematische Internetnutzer – Tendenz steigend.

Woran zeigt sich diese Sucht?

Betz: Häufigste Formen der Internetsucht sind Online-Spiele, das Aufsuchen von Sexseiten und die exzessive Nutzung der sozialen Netzwerke. Die beiden ersten Bereiche werden vor allem von männlichen Jugendlichen genutzt, letztere vor allem von weiblichen. Anzeichen für eine Suchterkrankung liegen vor, wenn der oder die Auszubildende

  • sich ins Internet flüchtet, um unangenehme Erlebnisse und Probleme zu vergessen,
  • die Familie und/oder die Freunde belügt, um die Online-Aktivitäten zu verbergen,
  • seine Internet-Aktivitäten über seine Arbeit und Beziehungen stellt,
  • sich die Leistungen in der Schule und am Arbeitsplatz deutlich verschlechtern und er
  • nur noch an seine Online-Aktivitäten denkt.

Viele junge Menschen wirken isoliert und abgekapselt vor ihrem Laptop oder Smartphone. Haben die digitalen Fähigkeiten auch positive Seiten, die Unternehmen nutzen können?

Betz: Die Jugendlichen von heute sind die erste Generation, die mit digitalen Medien aufgewachsen ist. Entsprechend fällt ihnen der rasante Wandel zur Arbeitswelt 4.0 wesentlich leichter als den älteren Kollegen. In gemischten Teams können die jüngeren „Digital Natives“ ihre älteren Kollegen, die „Digital Immigrants“, bei der Digitalisierung unterstützen.  Auf der anderen Seite können die Jungen von der Berufs- und Lebenserfahrungen der Älteren lernen. Solche Teams werden in vielen Unternehmen notwendig, denn insgesamt nehmen die digitalen Anwendungen in den nächsten Jahren weiter rasant zu. Die Digitalisierung wird alle Lebensbereiche verändern – es gilt deshalb, eine entsprechende Medienkompetenz zu erwerben, um mögliche negative Effekte zu verhindern, die etwa durch einen hohen Medienkonsum bedingt sind.

Was können Betriebe in diesem Zusammenhang tun?

Betz: Die Auswirkungen unserer digitalen Mediengesellschaft und ihre Bedeutung für die Gesundheit der Beschäftigten und deren Produktivität werden von vielen Unternehmen bislang noch nicht ausreichend wahrgenommen oder auch unterschätzt. So zeigt zum Beispiel die Zugkatastrophe von Bad Aibling 2016 wie die Ablenkung durch ein Handyspiel den Unfall mit auslöste. Smartphones oder Tablets sind immer präsent. Gegen ihre negativen Auswirkungen gilt es, präventive Strategien zu entwickeln:

  1. Zunächst müssen die Entscheidungsträger in den Betrieben für die Problematik sensibilisiert werden.
  2. Es müssen klare Vorgaben über die Nutzung der Smartphones während der Arbeitszeit gemacht werden. Diese Vorgaben gilt es, konsequent umzusetzen.
  3. Es sollte ein Handlungsleitfaden für „Digitale Süchte“ erstellt werden.
  4. Für die individuelle Hilfe, sollten – wie für Alkohol und andere Drogen – Strukturen aufgebaut werden, um professionelle Hilfs-Angebote schnell zu vermitteln.
  5. Präventiv gilt es, die Ausbilder und Lehrer zu den Chancen und Risiken der neuen Medien fortzubilden.
  6. Auch die Auszubildenden sollten zum Thema „Digitale Medien und Gesundheit“ geschult werden.

Auf welche Weise können sie mehr Medienkompetenz erlangen?

Betz: Sie können im Rahmen von Workshops und Seminaren für die Gefahren und Risiken eines hohen Medienkonsums sensibilisiert werden. Dabei werden Fragen diskutiert, wie z.B. „Wie beeinflussen digitale Medien mein Leben?“, „Wer hat die Kontrolle? Mein Smartphone oder ich?“, „Wer und was ist wichtig in meinem Leben? Die 150 Facebook-Kontakte oder meine realen Freunde und meine Familie?“ Vor diesem Hintergrund wird der Smartphone-Quotient berechnet. Er setzt die Zeit, die mit dem Smartphone verbracht wird, ins Verhältnis zu der Zeit, die mit Familie und Freunden verbracht wird. Ziel ist es, wachzurütteln, zum Nachdenken anzuregen und einen gesundheitsgerechten Umgang mit den digitalen Medien zu fördern (u.a. Smartphone-freie Zeiten, keine Bildschirmmedien ein bis zwei Stunden vor dem Schlafen).

Kann der Arbeitsschutz von der digitalen Entwicklung profitieren?

Betz: Arbeitsschützer sind in vielfältiger Hinsicht betroffen. Zum einen werden sich die Anforderungen und Gefährdungen am Arbeitsplatz ändern. Zum anderen können digitale Instrumente wie z.B. digitale Selbstlernprogramme zur Förderung der Arbeitssicherheit eingesetzt werden. Digitale Instrumente können gute Dozenten oder Trainer nicht ersetzen, denn beim Lernen spielen Gefühle und Interaktion eine wichtige Rolle. Deshalb werden sie die herkömmlichen Seminare und Kurse der Berufsgenossenschaften, zum Beispiel zur Unfallprävention, nur ergänzen.

Ein Film zum Thema Arbeitssicherheit, zusammen mit jungen Arbeitnehmern entwickelt.