Im Gespräch:

Alles unter Kontrolle?

Wo bleibt der Mensch mit seinem Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit, wenn Maschinen immer selbstständiger werden? Im Interview erklärt Experte Dr. Lars Adolph, wissenschaftlicher Leiter des Fachbereichs Produkte und Arbeitssysteme der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), welche Herausforderungen im Zuge der „Industrie 4.0“ auf den Arbeitsschutz zukommen.

Welche technischen Entwicklungen der Industrie 4.0 sind für Sie aus der Perspektive von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz besonders relevant?

Ein wesentliches Merkmal der „Industrie 4.0“ ist die Tatsache, dass Maschinen und produktionstechnische Anlagen flexibel werden und sich wandeln. Das bedeutet, dass sie sich verändern lassen, um beispielsweise Bauteile für ein elektronisches Gerät in verschiedenen Varianten herzustellen. Umgesetzt wird dies z. B. durch eine Modularisierung der Produktionsanlagen. Ähnliches gilt für Roboter, für die es immer mehr Einsatzgebiete gibt. Sie können inzwischen Montageaufgaben gemeinsam mit Menschen erledigen, man arbeitet sozusagen Hand in Hand mit dem Roboter. Auf diese Weise wird die Arbeit insgesamt flexibler, was für Unternehmen bedeutet, dass sie ihre Effizienz steigern.

Wo sehen Sie Chancen für den Arbeitsschutz?

Unter dem Blickpunkt von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sehe ich es als großen Vorteil an, dass Maschinen individualisierbar werden. So kann sich etwa der Roboter auf sein Gegenüber einstellen und etwas auf der richtigen Höhe anreichen – eine gute Unterstützung für jeden. Dies kommt Beschäftigten zum Beispiel auch bei schwierigen oder körperlich anstrengenden Aufgaben wie Arbeiten über dem Kopf zugute. Mithilfe von anpassungsfähigen Maschinen können künftig auch Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen besser integriert werden.

Welche Risiken sehen Sie als besonders herausfordernd an?

Von grundlegender Bedeutung ist die Beantwortung sicherheitstechnischer Fragen. Es muss Sicherheitsnachweise für die Prozesse von „smarten“ Maschinen oder Robotern geben. Zudem sind diese Anlagen oft mit dem Internet verknüpft und es gilt, sie vor Hackerangriffen und Fehlsteuerungen zu schützen.

Es geht zudem darum, dass für den Menschen nicht nur Hilfstätigkeiten übrig bleiben. Er muss sinnvolle und lernförderliche Aufgaben bekommen und nicht nur den Roboter bedienen oder Kartons falten. Grundsätzlich müssen die Menschen die Technologie verstehen, damit sie den Vorgängen in einer „smart factory“ nicht hilflos ausgeliefert sind. Bei der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine geht es somit darum, „gute Aufgaben“ zu schaffen. Wie sich dies umsetzen lässt, das ist eine der Kernfragen der Arbeitsgestaltung.

Wer ist aus Ihrer Sicht wie gefordert?

Die Hersteller der Arbeitssysteme sowie die anwendenden Unternehmen müssen sich mit den sicherheitstechnischen Fragen auseinandersetzen. Hier gilt es, praxistaugliche und effiziente Lösungen zu finden, um etwaige Risiken kontrollieren zu können. Außerdem müssen den Beschäftigten die Kompetenzen und Qualifikationen vermittelt werden, damit sie mit der Technologie umgehen können. Die menschengerechte Arbeitsgestaltung in der Industrie 4.0 ist auch eine wichtige Aufgabe der Arbeitswissenschaften, gute Gestaltungslösungen sollten zusammen mit Systemherstellern und Anwendern gesucht werden. Nicht zuletzt sind die Institutionen des Arbeitsschutzes herausgefordert, die schnellen Entwicklungen nicht nur reaktiv, sondern auch proaktiv und lösungsorientiert zu begleiten.