Im Gespräch

„Auf die Leiter steigen? Besser am Boden bleiben!“

Auf eine Leiter zu steigen, das gehört für viele Menschen zum Arbeitsalltag – nicht nur auf Baustellen, auch im Haushalt. Allerdings sind Leitern für fast die Hälfte der Absturzunfälle am Bau verantwortlich. Warum das so ist, wie Leitern sicher eingesetzt werden und welche Alternativen es gibt, erläutert Achim Fachbach, Spezialist für Leitern und Gerüste im Referat Hochbau der BG BAU, im Basi-Interview. 
 
Warum sind Leitern so unsicher?

Fachbach: Viele überschätzen die Standsicherheit von Leitern. Sie können schneller rutschen oder kippen, als man denkt – das wird meist durch das Gewicht des Menschen verursacht. Zahlreiche Unfälle entstehen dadurch, dass jemand in der Höhe das Gleichgewicht verliert. Nicht selten rutschen Menschen darüber hinaus von den Sprossen ab. Das passiert zum Beispiel, wenn sie mit feuchten Schuhen in die Höhe klettern.

Braucht man für das Besteigen eine Anleitung?

Fachbach: Ja! Jeder meint, er könne ohne Absturzsicherung einfach hochklettern. Dabei lohnt es sich, die Bedienungsanleitung zu lesen, die zu jeder Leiter gehört. Oft befindet sie sich in Form eines Piktogramms an der Seite des Geräts. Daran lässt sich beispielsweise ablesen, wie hoch eine Person klettern darf und wie stark die Leiter belastet werden kann. Auch sollte man ablesen können, wie die Leiter richtig angelehnt wird.

Die BG BAU hat ein 5-Punkte-Programm gegen Leiterunfälle entwickelt (siehe dazu auch die Links unter dem Interview). Was verbirgt sich dahinter?
 
Fachbach: Unternehmen sind verpflichtet, für die Betriebssicherheit zu sorgen – das bedeutet auch, eine Gefährdung durch Leitern möglichst zu verhindern. Dies wollen wir mit dem 5-Punkte-Programm vereinfachen und dadurch für Rechtssicherheit sorgen.

Sie empfehlen unter anderem Leiterzubehör, um Unfälle zu vermeiden. Wie kann man sich das vorstellen?

Fachbach: In der Regel geht es darum, die Standfestigkeit einer Leiter zu verbessern. Das kann man zum Beispiel erreichen, indem der obere Teil mit der Dachrinne verschraubt wird. Eine weitere Möglichkeit ist es, den Fuß der Leiter zu verbreitern oder mit Matten rutschfest zu machen. Er kann auch mithilfe von Spießen in der Erde verankert werden.

Welche Alternativen zur Leiter gibt es?

Fachbach: In unserem Arbeitsschutztraining bei der BG BAU empfehlen wir zum Beispiel sogenannte Kleinsthubarbeitsbühnen, die ausfahrbar sind. Es gibt aber auch Einpersonengerüste. Am besten bleibt man allerdings bei der Arbeit am Boden und nutzt passende Geräte, um von dort aus seine Aufgaben zu erledigen. Das kann etwa mit Automatikhaken geschehen, mit deren Hilfe ein Kran besondere Bauteile bis zu einem bestimmten, vorher festgelegten Ort transportiert. Diese Haken können dann per Fernsteuerung gelöst werden. Reinigungsunternehmen haben die Möglichkeit, mithilfe von Teleskopstangensystemen hoch liegende Fenster zu säubern.

Und wenn sich die Leiter nicht umgehen lässt…
 
Fachbach: … dann sollte sie Stufen statt Sprossen besitzen und möglichst einen Handlauf haben – oder ein Podest, auf dem man oben arbeiten kann.

Warum sollten Beschäftigte darin unterwiesen werden, wie sie eine Leiter benutzen?
 
Fachbach: Weil das Wissen über die sichere Verwendung nicht sehr verbreitet ist. Wer beschäftigt sich beim Anlehnen der Leiter denn mit dem richtigen Winkel, damit sie nicht wegrutscht? Und wer berücksichtigt, dass die obersten zwei Stufen nicht betreten werden sollten – oder dass es gefährlich ist, sich seitlich herauszulehnen, wenn man sich auf der Leiter befindet? All dies muss Teil einer Unterweisung sein, die der Unternehmer entweder selbst in die Hand nimmt – oder beispielsweise eine geschulte Fachkraft für Arbeitssicherheit.

Zum 5-Punkte-Programm gehört auch das Kontrollieren und Prüfen der Leiter. Wer übernimmt das und wie oft müssen Leitern überprüft werden?

Fachbach: Bevor man die Leiter benutzt, sollte man sie anschauen – also damit auch kontrollieren, ob sie intakt ist und zum Beispiel die Fußteile, die sie vor dem Wegrutschen sichern, nicht gebrochen sind. Das lässt sich mit ein paar gezielten Blicken erledigen. Mindestens einmal pro Jahr muss die Leiter aber auch geprüft werden – denn sie wird ja unterschiedlich belastet, je nachdem, ob sie zum Beispiel bei der Gebäudereinigung eingesetzt wird oder im Hoch- und Tiefbau. Die Kontrolle geschieht in der Regel im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung in einem festgelegten Zeitraum durch eine schriftlich beauftragte, geschulte Person. Das kann entweder ein Mitarbeitender sein oder ein Experte von einer extra dafür engagierten Firma.

Wird das 5-Punkte-Programm denn bei den Baufirmen akzeptiert?

Fachbach: Ja – das erleben wir seit einem Jahr, als wir das Programm offiziell gestartet haben. Die Aufsichtspersonen der BG BAU werden zunehmend nach sicheren Alternativen zur Leiter gefragt und es gibt immer mehr Anträge auf Förderung, zum Beispiel im Hinblick auf Leiterzubehör. Wenn wir das Programm zum Beispiel auf Messen vorstellen, bekommen wir positive Rückmeldungen. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch Beschäftigte, erfahren zum ersten Mal davon und sind erleichtert, weil sie Unfälle verhindern können.

Hier gibt es mehr Informationen zum 5-Punkte-Programm und zu Unterweisungen im sicheren Umgang mit Leitern
·      www.bgbau.de/hilfe-anlegeleitern
·      www.bgbau.de/hilfe-stehleitern
·      https://bauportal.bgbau.de/bauportal-22022/thema/hochbau/ein-personen-gerueste-als-alternative-zu-leitern
·      https://bauportal.bgbau.de/bauportal-32020/thema/hochbau/aktuelle-veraenderung-in-der-leiterwelt
·      https://bgbauaktuell.bgbau.de/bg-bau-aktuell-12021/artikel-12021/ausgeleitert
·      https://bgbauaktuell.bgbau.de/bg-bau-aktuell-42021/artikel-42021/infomedien-leiterunfaelle-vermeiden