Im Gespräch

„Ich setze auf gut vernetzte Zusammenarbeit“

Vom neuen Mutterschutz-Ausschuss werden wesentliche Impulse erwartet, damit der Mutterschutz in den Betrieben und am Arbeitsplatz gelebt wird. Wie diese aussehen könne, dazu äußert sich die Ausschussvorsitzende Dr. Uta Ochmann von der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und  Umweltmedizin (DGAUM) im Basi-Interview.

Sie sind Vorsitzende eines neuen Ausschusses, der Impulsgeber dafür sein soll, dass Mutterschutz in den Betrieben und am Arbeitsplatz gelebt wird. Wie können solche Impulse aussehen?

Die Aufgaben des Ausschusses für Mutterschutz sind im Mutterschutzgesetz in Paragraf 30 Absatz 3 aufgeführt:

  1.  Der Ausschuss hat Art, Ausmaß und Dauer der möglichen unverantwortbaren Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau und ihres Kindes nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ermitteln und zu begründen und er hat
  2. sicherheitstechnische, arbeitsmedizinische und arbeitshygienische Regeln zum Schutz der schwangeren oder stillenden Frau und ihres Kindes aufzustellen.

Hinzu tritt die Beratung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in allen mutterschutzbezogenen Fragen. Adressat der Regeln und Erkenntnisse sind die Arbeitgeber. Sie haben diese bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen für bei ihnen beschäftigte schwangere und stillende Frauen zu berücksichtigen. Wenn dies der Fall ist, dann ist davon auszugehen, dass die Anforderungen zum betrieblichen Gesundheitsschutz für Schwangere und Stillende erfüllt wurden. Daher ist es wichtig, neben der Sicherstellung einer wissenschaftlichen Evidenz die Regeln und Erkenntnisse so zu formulieren, dass sie für die Betriebe verständlich und praktikabel sind. Dafür wird der Ausschuss für Mutterschutz Sorge tragen. Damit Arbeitgeber erfahren, welche Regeln und Erkenntnisse vom Ausschuss für Mutterschutz aufgestellt wurden, werden diese nach Prüfung durch die fachlich zuständigen Bundesministerien im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht.

Effektives, einheitliches Beratungs- und Aufsichtshandeln der Arbeitsschutzbehörden der Länder ist ein weiteres wichtiges Ziel Ihrer Arbeit. Auf welche Weise wollen Sie es erreichen?

Die Aufgaben des Ausschusses habe ich ja im Wesentlichen genannt. Das Aufstellen von Regeln und Erkenntnissen wird auch ein effektives und bundeseinheitliches Beratungs- und Aufsichtshandeln der zuständigen Stellen zur Folge haben. Die über die Einhaltung des Mutterschutzgesetzes Aufsicht führenden Landesbehörden werden nämlich nach der Veröffentlichung von Regeln und Erkenntnissen im Gemeinsamen Ministerialblatt ihre ggf. davon abweichende Verwaltungspraxis anpassen müssen.

Der Mutterschutz-Ausschuss berät Bundesressorts, die mit dem Thema befasst sind, insbesondere das federführende Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Mit welchen Fragen befassen Sie sich bei Ihrer Beratung?

Der Ausschuss wird vor allem auf konkrete Anfragen seitens des BMFSFJ tätig werden. Im Übrigen erarbeiten wir uns – unabhängig von konkreten Anfragen des BMFSFJ – ein Arbeitsprogramm, um unseren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Da die konstituierende Sitzung des Ausschusses für Mutterschutz Anfang Juli 2018 stattfand, bitte ich um Verständnis dafür, dass zurzeit noch über das Arbeitsprogramm des Ausschusses für Mutterschutz beraten wird.

Wie wollen Sie es erreichen, dass der Mutterschutz ein gleichwertiger Bestandteil des Arbeitsschutzes wird?

In der Praxis berücksichtigen zu viele Arbeitgebern das Thema erst dann im Betrieb, wenn eine Frau ihre Schwangerschaft meldet. Häufig können dann die erforderlichen mutterschutz-rechtlichen Schutzmaßnahmen nur mit (unnötiger) zeitlicher Verzögerung ergriffen werden. Und die Frau unterbricht in vielen Fällen zu früh ihre Erwerbstätigkeit. Als Ausschuss für Mutterschutz wollen wir dafür werben, dass der Mutterschutz von Anfang an im Betrieb mitgedacht wird. Davon profitieren nach meiner Auffassung nicht nur die Frauen, sondern auch die Arbeitgeber. Unsere Empfehlungen zur Umsetzung des Mutterschutzes sollen sich gut in das bestehende System der arbeitsschutzrechtlichen Regeln einfügen und als integraler Bestandteil am besten gleich mit den anderen Arbeitsschutzvorgaben berücksichtigt und ggf. auch schon umgesetzt werden.

Nach den gesetzlichen Vorgaben ist Mutterschutz bereits jetzt Teil des Arbeitsschutzes: Im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach Paragraf 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat jeder Arbeitgeber für jede Tätigkeit die Gefährdungen nach Art, Ausmaß und Dauer zu beurteilen, denen eine schwangere oder stillende Frau oder ihr Kind ausgesetzt ist oder sein kann. Durch die im Laufe der Zeit stets wachsende Anzahl der vom Ausschuss für Mutterschutz aufgestellten und im Ministerialblatt veröffentlichten Regeln und Erkenntnisse wird der Mutterschutz im Bereich des Arbeitsschutzes, für den es bereits sehr viele Regeln gibt, stets präsenter werden.

Es gibt einen großen Nachholbedarf an Wissen und an konkretem Tun zum Thema Mutterschutz bei Akteuren und Betroffenen. Wo setzen Sie als erstes an und wie?

An erster Stelle setze ich hier auf eine gut vernetzte Zusammenarbeit mit allen Akteuren, Stellen und Gremien, die im Bereich des Arbeits- und des Mutterschutzes beteiligt sind. Grundvoraussetzung für einen gelingenden Mutterschutz ist aus meiner Sicht ein gut funktionierender Interessenaustausch. Als interdisziplinär zusammengesetztes Gremium kann der Ausschuss für Mutterschutz dazu einen hervorragenden Beitrag liefern: Dadurch, dass der Ausschuss für Mutterschutz ein Gremium ist, dem Mitglieder seitens der öffentlichen und privaten Arbeitgeber, der Ausbildungsstellen, der Gewerkschaften, der Studierendenvertretungen und der Landesbehörden sowie auch der Wissenschaft angehören, sitzen bereits viele wichtigen Akteure bei der Erstellung von Regeln und Erkenntnissen des Ausschusses an einem Tisch und müssen sich auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Sie werden ihre eigene Sicht auf den Mutterschutz in die Ausschussarbeit einbringen und jeweils für den von ihnen vertretenen Bereich Multiplikatorenfunktion übernehmen. Wertvolle Informationen enthalten die beiden Leitfäden des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die sich einerseits an schwangere und stillende Frauen und andererseits an Arbeitgeber wenden. Zusammen mit dem Ministerium werden wir weiter daran arbeiten, möglichst adressatengerecht die verschiedenen maßgeblichen Beteiligten über ihre Rolle im Mutterschutz zu informieren.

Es gibt die Forderung, dass der Ausschuss zu übergeordneten Themen gemeinsame Grundpositionen erarbeiten muss. Als dringend klärungsbedürftig wird etwa der Begriff der „unverantwortbaren“ Gefährdung (Paragraf 9) angesehen – das sei etwas anderes als unzulässige Arbeitsbedingungen (Paragraf 11). Wie sehen Sie das und wie gehen Sie in der Sache weiter vor?

Die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „unverantwortbaren Gefährdung“ in Paragraf 9 des Mutterschutzgesetzes ist – wie bereits dargelegt – Kernaufgabe des Ausschusses für Mutterschutz. Das Mutterschutzgesetz definiert eine Gefährdung einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes als unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Bei der Anwendung dieser Definition auf Einzelfälle kann und muss, wie bereits im Gesetz ausgeführt, die aktuelle wissenschaftliche Evidenz herangezogen werden. Als erstes Orientierungsmaß kann hierfür das allgemeine Lebensrisiko herangezogen werden. In Bezug zu diesem muss dann das am Arbeitsplatz ermittelte Risiko abgeglichen und bewertet werden. Letztlich wird der Begriff „unverantwortbare Gefährdung“ durch die Erstellung von Regeln und Erkenntnissen inhaltlich mit Leben gefüllt. Im noch zu erstellenden Arbeitsprogramm des Ausschusses für Mutterschutz wird festgelegt werden, welche Bereiche zunächst bearbeitet werden.

Im Rahmen der von Ihnen angesprochenen unzulässigen Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen (Paragraf 11 Mutterschutzgesetz) hingegen ist im Gesetz für bestimmte Bereiche wie im Hinblick auf Gefahrstoffe, Biostoffe, physikalische Einwirkungen, belastende Arbeitsumgebungen oder körperliche Belastungen bereits ausdrücklich festgelegt, wann eine unverantwortbare Gefährdung vorliegt und dass vor diesem Hintergrund bestimmte Tätigkeiten für schwangere und stillende Frauen unzulässig sind. In diesen Fällen muss durch Schutzmaßnahmen Abhilfe geschaffen werden, als letztes Mittel ggf. auch durch ein Beschäftigungsverbot.