Gefährlicher Sitz-Marathon im Homeoffice
Den ganzen Tag im Homeoffice gesessen? Und dann schlüpft man schnell nach der Arbeit in die Laufschuhe, um dem schlechten Gewissen davonzulaufen. Nach dem Motto: Marathon-Sitzen minus Marathon-Laufen gleich gesund? Wäre es doch so einfach! Expertinnen und Experten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) weisen allerdings darauf hin: Nach einem langen Tag des Sitzens reicht selbst ein Marathonlauf als Kompensationsstrategie nicht aus. Sedentäres Verhalten und Bewegung sind zwei verschiedene Paar Schuhe – so steht es unter anderem in der Publikation „Workshop Gesundheitsgefährdung durch langes Sitzen am Arbeitsplatz – Teil I wissenschaftliche Perspektiven“ der BAuA. Leider wird sedentäres Verhalten vielfach mit fehlender körperlicher Aktivität verwechselt und das Gefährdungspotenzial des Sitzens somit unterschätzt, heißt es in Teil II der Publikationen.
Ist es also sinnlos, nach der Arbeit eine Runde zu joggen? Natürlich nicht, denn Bewegung wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. Das Basi-Mitglied AGR (Aktion Gesunder Rücken e.V.) weist jedoch darauf hin, dass wir auch während der Arbeitszeit noch viel achtsamer sein und weniger sitzen sollten. Durchgehend langes Sitzen führt in vielen Fällen zu Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, wie z. B. Rückenschmerzen, welche häufig in Erwerbsunfähigkeit und Frühverrentung enden, sagt die BAuA in einem Bericht über berufsspezifische Risiken.
Dem Bericht „DGUV Lernen und Gesundheit – Bewegung im Büro“ zufolge haben bestimmte Muskeln durch langes Verharren in einer Sitzhaltung viel Zeit, um sich verkürzen zu können bzw. immer unelastischer zu werden. Großen Anteil daran hat vor allem die große Hüftbeuger-Muskulatur. Bei dieser sind mehrere Muskeln beteiligt: Sie sind für unseren Halt, das Anheben der Beine und Beugen des Oberkörpers zuständig. Der größte dieser Muskeln ist der große Lendenmuskel. Er erstreckt sich von der Lendenwirbelsäule bis hin zur Innenseite des Oberschenkelknochens und dem Hüftknochen. Mehr darüber erfahren Sie in der Ausgabe 1/2019 von „AGR Aktuell“.
„DGUV Lernen und Gesundheit – Rückenschmerzen und Stress“ erläutert das System der muskulären Gegenspieler. Diese – etwa die Gesäß- oder untere Bauchmuskulatur – sind oft zu schwach ausgeprägt, sodass es dem Psoas leichtfällt sich zu verkürzen. Das wiederum führt zur Verkürzung des Rückenstreckers und somit zum Hohlkreuz (Hyperlordose). Die veränderte Körperhaltung sorgt schlussendlich für mehr Belastung und Druck auf unsere Bandscheiben und kann starke Schmerzen verursachen, so die AGR. Aus den Veränderungen des Bewegungsapparates folgen weitere Probleme. In seinem Bericht über die digitale Arbeitswelt schreibt das Institut für Arbeitsschutz (IFA) der DGUV, dass oft eine Überstreckung des Nackens zu beobachten ist. Auch scheuen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit (Rücken-)schmerzen oftmals die Bewegung, da das genau wehtut – und sorgen somit für eine Verschlimmerung des Problems. Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen können die Folge sein. Ein Teufelskreis entsteht. Positionswechsel helfen, diesen zu durchbrechen und langes Sitzen sowie dessen Gesundheitsgefahren zu vermeiden. (meh)