EU-OSHA-Kampagne zu Digitalisierung und gesunder Arbeit startet:
Schwerpunkte setzen, Chancen nutzen, Menschen im Mittelpunkt

Gesund und sicher arbeiten in Zeiten der Digitalisierung – wie kann es in der Praxis funktionieren? Antworten auf diese Frage gibt es im Laufe der neuen Kampagne der europäischen Arbeitsschutzorganisation EU-OSHA, die von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, Basi, als Medienpartner unterstützt wird. Die Kampagne läuft bis 2025. Ein Ziel in Deutschland: Innerhalb eines massiven Veränderungsprozesses sollen Betrieben Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand bekommen, die sie vielfältig nutzen können.

Digitalisierung – ein komplexes Thema, dem sich keiner entziehen kann und bei dem es im Arbeitsschutz gilt, Schwerpunkte zu setzen. Das betonte Susanne Baltes, Leiterin des Referates „Grundsatzfragen des Arbeitsschutzes“ im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) beim nationalen Kick-off der Kampagne der europäischen Arbeitsschutzagentur EU-OSHA: „Welche Daten werden erhoben und was heißt das für Beschäftigte? Was bedeutet es für Verwaltung und Rechtsprechung?“ So lauten einige zentrale Fragen nach Ansicht der Expertin. Privat-Dozent Dr. Marc Wittlich vom Institut für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) erklärte, der Mensch müsse im Zentrum bleiben. Keiner dürfe sich im Zuge der derzeitigen rasanten Entwicklung abgehängt fühlen. Sein Plädoyer: Digitale Neuerungen sollten erst dann eingeführt werden, wenn vonseiten der Forschung feststehe, dass sie sich nicht negativ auswirken.

Mehr Orientierung ist notwendig

Stefan Pemp, Leiter des Referats „Arbeitsschutz und technischer Verbraucherschutz“ am niedersächsischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, hält im Hinblick auf die neuen Herausforderungen durch die Digitalisierung für die Aufsicht fest: „Was zu erwarten ist, ist grundsätzlich geregelt: Arbeit muss sicher und gesund sein. Es fehlt zuweilen nur eine Orientierung im Hinblick darauf, was sinnvoll ist. Dabei geht es um Verhältnismäßigkeit.“ Insgesamt erhoffen sich die Experten in Bezug auf Orientierung viel von einer künftig möglichen digitalen Gefährdungsbeurteilung.

In seiner Keynote präsentierte Lars Hoffmann, bei der Siemens AG zuständig für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, praktische Beispiele für digitale Unterstützung im Arbeitsalltag. So werde etwa derzeit erprobt, wie Robotern mittels Sensorik der Gefühlszustand ihres menschlichen Gegenübers in der Zusammenarbeit vermittelt werden kann. Die erwünschte Folge: Der Roboter arbeitet langsamer, wenn der Kollege nicht ganz fit ist. Ebenfalls in der Pipeline: Smarte Tools in Gebäuden, die die Luftwechselrate erhöhen oder Temperatur und Luftfeuchtigkeit anpassen, sobald sie eine stressige Atmosphäre in den Räumen feststellen. „Gebäude können auch mithilfe von künstlicher Intelligenz vor Stolpergefahr warnen, wenn der Boden rutschig ist“, erklärt Hoffmann, der darüber hinaus einen digitalen Homeoffice-Planer vorstellte: Ein Chatbot erklärt, worauf man achten muss, um etwa die optimale Entfernung zum Bildschirm einzunehmen. Laut Hoffmann ist es auch möglich, zu überprüfen, ob eine Maßnahme den erwünschten Effekt hat.

Digitalisierung bei der Arbeit als Gemeinschaftsaufgabe

Insgesamt hat man es bei Siemens als Herausforderung erkannt, Mitarbeitende gut zu informieren und ihnen die notwendigen Fähigkeiten sowie Kompetenzen zu vermitteln. Lars Hoffmann: „Dabei wurden viele Stellschrauben identifiziert. So geht es beispielsweise darum, wie wir zukünftig arbeiten und was wir dafür brauchen. Die Frage ist auch, wie sich Jobprofile ändern, was Führungskräfte wissen müssen und was der Gesetzgeber sagt.“ Am Ende des Tages sei die Umsetzung der Digitalisierung bei der Arbeit eine Gemeinschaftsaufgabe.

Über die Bedeutung der Zusammenarbeit sprach auch William Cockburn, designierter Direktor der EU-OSHA, der live aus Bilbao zugeschaltet wurde: Die nationalen Netzwerke seien im Laufe von mehr als 20 Jahren gewachsen, dadurch werden die Kampagnen der EU-OSHA aus seiner Sicht größer und erfolgreicher. Mit dem Thema Digitalisierung habe man sich schon lange beschäftigt und dazu geforscht – jetzt entwickele es sich gerade revolutionär und gewinne immer mehr Einfluss auf den Arbeitsplatz. Es gelte, Risiken zu erkennen und auszubremsen.

Die Schwerpunkte der Kampagne

In diesem Zusammenhang stellte Cockburn die fünf Schwerpunkte der Kampagne vor

1.        Arbeit auf digitalen Plattformen
2.    Automatisierung von Aufgaben
3.    Mobiles und hybrides Arbeiten
4.    Personalmanagement mithilfe künstlicher Intelligenz (KI)
5.    Intelligente digitale Systeme

Als Impuls seitens des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) nahm der politische Referent und alternierender Basi-Vorsitzender Dr. Sebastian Schneider die Beschäftigten in den Blick. Es gelte, sie „mitzunehmen“, wenn es um Digitalisierung geht. Eine große Herausforderung in digitalen Zeiten sei die Regulation: „Wo sind Grenzen der Digitalisierung?“, fragte Schneider. Professor Sascha Stowasser, Direktor des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) rückte die Notwendigkeit, dass viele Beschäftigte geschult werden müssen, in den Mittelpunkt und gab zu bedenken: „Das schafft das Bildungssystem nicht.“ Es gelte, eine Digital- und Personalstrategie zu entwickeln. Stowasser: „Damit tun sich viele Unternehmen schwer, vor allem im Mittelstand. Aber die Zeit drängt.“

In kurzen Vorträgen wurden einige Themenschwerpunkte der europäischen Kampagne in den Blick genommen. Dabei betonte Dr. Ludger Michels, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Geschäftsstelle der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz, man müsse durch Digitalisierung wirksamer werden und Informationen besser austauschen. In diesem Sinne sei es sinnvoll, die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) zur Gemeinsamen Digitalen Arbeitsschutzstrategie weiterzuentwickeln. Deren Informationsportal könne dann Informationen für die Beratung und Überwachung des Arbeitsschutzes bereitstellen.

Handlungsempfehlungen für unterschiedliche Betriebsrealitäten

Als Ergebnis einer Networking-Session zur Umsetzung der EU-OSHA-Kampagne in Deutschland waren sich die Expertinnen und Experten einig, dass man zwischen großen sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) unterscheiden müsse: Die KMU seien noch nicht so sehr in der digitalen Welt angekommen, es gebe unterschiedliche Betriebsrealitäten. Einheitliche gute Prozesse seien notwendig, um positive Effekt der Digitalisierung zu nutzen. Ein Fazit der Veranstaltung lautete: Es müssten noch Handlungsempfehlungen erarbeitet werden – man habe aber bereits viele gute Lösungsansätze zu den komplexen Herausforderungen durch die Digitalisierung gesehen. Als Medienpartner unterstützt die Basi die Kampagne und hilft dabei, ihre Ziele über verschiedene Kanäle zu verbreiten.

Mehr Informationen zur EU-OSHA-Kampagne gibt es auf der Website der nationalen Vertretung (focal point).
 
Die EU-OSHA  hat zu ihrer Kampagne zu Digitalisierung und gesunder Arbeit einen Wettbewerb für gute praktische Lösungen für gesunde Arbeitsplätze gestartet, der sich mit dem digitalen Zeitalter der Arbeit befasst. Dafür können ab sofort Beiträge eingereicht werden. Die Beispiele bewährter Verfahren sollten Risiken für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit im Zusammenhang mit der Einführung digitaler Technologien am Arbeitsplatz aktiv verhindern. Im Anschluss an den Wettbewerb in jedem teilnehmenden Land wählt eine gesamteuropäische Jury die endgültigen Gewinner aus. Weitere Auskünfte hält der focal point der EU OSHA bereit.