Die Haut retten – Sonne als Gefahr bei der Arbeit

Unter der Sonne arbeiten ist gefährlich – das betrifft den Brief-Zusteller, den Landwirt, die Erzieherin und den Maurer, aber auch viele andere Beschäftigte. Sie unterschätzen die Gefahr schon im Frühjahr, wenn die Luft noch relativ kühl ist und setzen sich gerade in der Mittagszeit, wenn etwa 70 Prozent der täglichen UV-Strahlung auf die Erde treffen ungeschützt der Sonne aus. „Die UV-Strahlung auf der Erdoberfläche hat in Deutschland in den letzten Jahrzehnten zugenommen, hieran hat insbesondere das Ozonloch einen erheblichen Anteil, interessanterweise aber auch die durch reinere Luft häufigeren unbewölkten Sonnentage“, sagt Professor Swen Malte John, Leiter des Fachgebiets Dermatologie, Umweltmedizin und Gesundheitswissenschaften der Universität Osnabrück und Fachmann für berufliche Hauterkrankungen. Unser Körper kann nur eine bestimmte Dosis UV-Strahlen vertragen, ohne einen Sonnenbrand zu erleiden; je nach Hauttyp ist diese Dosis recht unterschiedlich. Wenn diese überschritten wird, ist eine chronische Erkrankung an hellem Hautkrebs und seinen Frühformen im Alter sehr wahrscheinlich. Entsprechend gehört diese Erkrankung seit 2015 zu den rund 80 Berufskrankheiten – und Menschen, die im Job daran erkranken, bilden laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) neben anderen Hauterkrankungen und der Lärmschwerhörigkeit rund ein Viertel der anerkannten Fälle.

Im Jahr 2017 gab es laut Steffen Krohn, Referent im Referat Berufskrankheiten der DGUV, in 75 187 Fällen den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit. Krohn: „Davon entfielen 6375 Verdachtsanzeigen auf den hellen Hautkrebs im Sinne der BK-Nr. 5103 (multiple aktinische Keratosen oder Plattenepithelkarzinome).“ Von den 19 794 anerkannten Berufskrankheiten entfielen 3887 auf die BK-Nr. 5103, die Berufskrankheit, die u.a. den hellen Hautkrebs umfasst. Zusätzlich sind 2017 bei der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) 2456 Verdachtsanzeigen betreffend die BK 5103 eingegangen. Im gleichen Zeitraum gab es 1431 anerkannte Fälle.

Wissenschaftler erforschen die Gefahr derzeit intensiv. Sie machen deutlich, wie wichtig es ist, dass am Arbeitsplatz Schutzmaßnahmen ergriffen werden und die Arbeitgeber und Beschäftigte sich mehr als bisher um die Prävention kümmern, die ja bei keiner anderen Krebserkrankung so einfach umzusetzen ist. Das gilt auch für die Augen, die durch intensive UV-Strahlung an Grauem Star erkranken können.

Ein „Leuchtturmprojekt“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung ist das Forschungsvorhaben Genesis-UV, das der Physiker Dr. Marc Wittlich vom Institut für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung seit vier Jahren leitet. Damit hat die Expositionsbestimmung für Berufskrankheiten unter Nutzung der modernen Kommunikationstechniken eine neue (quantitative und qualitative) Dimension erreicht. Im Projekt Genesis-UV werden zum ersten Mal umfassend Daten im Hinblick auf die UV-Bestrahlung bei der Arbeit gesammelt. Bisher haben mehr als 1000 Probanden – Winzer bei der Weinlese ebenso wie Maurer auf dem Bau – länger als ein halbes Jahr bei der Arbeit ein Dosimeter am Oberarm getragen. Ein erstes Ergebnis der Forschungen: Versuchstechniker in der Landwirtschaft und Landwirte bekommen pro Jahr über 600 so genannte SED (Standard-Erythem-Dosis) ab. Dabei empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine SED am Tag als Höchstmaß, und sogar diese kann bereits bei Menschen mit heller Haut und rötlichen Haaren einen Sonnenbrand verursachen. „Im April und Mai suchen viele Menschen nach einem langen Winter die Sonne, sitzen etwa ungeschützt mittags draußen und erhalten dadurch – aufs Jahr gesehen – die meiste UV-Strahlung“, sagt Dr. Wittlich. Die Messungen von Genesis (allein in Deutschland wurden in vier Jahren 3,4 Milliarden Datensätze gesammelt) bargen einige Überraschungen für die Wissenschaftler: „Bei den Postboten werden etwa die Fahrradfahrer doppelt so intensiv von der Sonne bestrahlt wie die Zusteller, die zu Fuß unterwegs sind – vermutlich, weil letztere mehr in Häuserschluchten unterwegs sind“, sagt Dr. Wittlich. Bei Maurern kommt es darauf an, ob sie in einem Gebäude oder draußen unter der Sonne Stein auf Stein legen – je nachdem steigt die UV-Bestrahlung des Beschäftigten.

Die Bräune, die daraufhin entsteht, möchte Professor Swen Malte John am liebsten als ungesund bezeichnen. Der Fachmann für berufliche Hauterkrankungen leitet das dermatologische Zentrum am BG-Klinikum in Hamburg und berät die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) sowie die WHO zu diesem Thema. Neue Diagnose-Codes der WHO machen es laut dem Experten seit dem 18. Juni 2018 möglich, dass die unterschiedlichen, durch langjährige UV-Strahlung ausgelösten Formen von hellem Hautkrebs leichter als Folgen des Berufs und damit als Berufskrankheit identifiziert und therapiert werden können.

Prävention bedeutet vor allem, das TOP-Prinzip zu beherzigen. Was das für den Schutz vor der Sonne bedeutet, erläutert Dr. Anette Wahl-Wachendorf, die als leitende Arbeitsmedizinerin für die Berufsgenossenschaft BAU mit dem Thema befasst ist: „T steht für technische Maßnahmen. Das heißt, dass etwa über einer Baustelle ein Sonnensegel gespannt wird. Oder dass die Arbeiter regelmäßig den Schatten aufsuchen, sich stündlich mit Wasser abkühlen.“ Mit O ist die Organisation gemeint, die im Tagesablauf deutlich werden kann. So sollte etwa eine Mauer draußen unter sommerlichen Bedingungen zwischen April und September besser am frühen Morgen oder in den späten Nachmittagsstunden hochgezogen werden – und nicht in praller Mittagssonne. P, also die Wahl der persönlichen Schutzausrüstung, sieht Dr. Anette Wahl-Wachendorf so: „Der Bauarbeiter mit nacktem Oberkörper gehört heute nicht mehr zum Straßenbild. Wir empfehlen Shirts mit einer dichten, nicht lichtdurchlässigen Webstruktur. Außerdem gibt es Kühlwesten gegen die Hitze.“

Bei den Helmen für Outdoor-Arbeiter bieten diejenigen mit einem aufsteckbaren Blendring von acht Zentimetern einen weitaus höheren UV-Schutz für Stirn, Hals und Nacken sowie für die Ohren als ein Standard-Schutzhelm. Viele Sonnenschutz-Maßnahmen und –Produkte für die Arbeit werden vom 5. bis 8. November 2019 auf der A+A 2019, der globalen Leitmesse für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in Düsseldorf vorgestellt (www.aplusa.de). Was ein Schutzhelm mit Blendring an zusätzlichem Schutz bringt, zeigt ein Forschungsprojekt der BAuA: Dabei wurde allein für die Stirn ein Schutzfaktor von 250 im Vergleich zu 15-50 (Schutzfaktor beim Standardhelm) gemessen. Wenn Unternehmen solche Helme für ihre Mitarbeiter anschaffen, so wird dies laut Dr. Wahl-Wachendorf von der Berufsgenossenschaft gefördert. Zur Schutzausrüstung gehört auch eine UV-Schutzbrille für die Augen, um den Grauen Star durch UV-Strahlung nach Möglichkeit zu verhindern.

Bis 2019 soll es auch neue Erkenntnisse zur geeigneten Sonnencreme geben, die laut Professor John ruhig den Faktor 50+ haben kann: „Damit dieser völlig erreicht wird, müsste man die Creme messerrückendick auftragen, was keiner tut. Deshalb sollte man sich wenigstens so reichlich wie möglich eincremen, bevor man in die Sonne geht – und ein Produkt wählen, dass gegen UV-Strahlung der unterschiedlichen Wellenlängen schützt, also sowohl gegen ,UVA’ als auch ,UVB’.“ (Hier gibt es mehr Informationen über die unterschiedlichen UV-Strahlen) John ist gerade mit einer Studie befasst, die sich mit speziellen Sonnencremes für die Arbeit beschäftigt  – im kommenden Jahr soll es Empfehlungen für Cremes geben, die möglichst wenig von Schweiß abgewaschen oder leicht abgerieben werden können.

  • Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung informiert in einem Film über den richtigen Sonnenschutz bei der Arbeit: Unterpunkt Mediencenter, Arbeiten unter der Sonne. Hier gibt es weitere Informationen zum Hautkrebs durch arbeitsbedingte UV-Strahlung.
  • Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gibt Empfehlungen für heiße Sommertage in Arbeitsstätten: und hält unter ihren Publikationen eine Memocard „UV-Index (UVI) und anzuwendende Schutzmaßnahmen“ für die  Arbeit im Freien bereit.
  • Eine bundesweite Aktionswoche der Dermatologen mit dem Thema „Haut & Job“ wird vom 12. bis 16. November 2018 auf das Thema Sonnenschutz bei der Arbeit aufmerksam machen.
  • Die Berufsgenossenschaft (BG) BAU bietet Vorsorgeuntersuchungen an und informiert Azubis in den Ausbildungszentren an Aktionstagen zum Thema „Rette deine Haut“. Unterpunkt Bilder: Film Aktionstag Rette Deine Haut.

Die nächste A+A, auf der viele Sonnenschutz-Maßnahmen und –Produkte für die Arbeit vorgestellt werden, findet vom 5.-8. November 2019 statt. Dazu gibt es jetzt schon einen Film,  auch als englische Version.