Die gefährliche Arbeit im Freien – und der richtige Schutz
Die vielen Stunden, die Landwirt Leo Blum ohne breitkrempigen Hut und die schützende Sonnencreme auf den Feldern des Eifelbauernhofs seiner Familie zugebracht hat, bereut der 73-Jährige heute bitter: Vor einem Jahr bekam er überraschend die Diagnose Weißer Hautkrebs. Blum gehört zu denjenigen, die die Arbeit unter der Sonne über die Jahre hinweg geschädigt hat – und deren Zahl steigt steil an. Das Bundesamt für Strahlenschutz registriert jährlich rund 200.000 neue Fälle von Hautkrebs. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung listet immer mehr Fälle der Berufskrankheit Nr. 5103 „Plattenepithelkarzinom oder multiple aktinische Keratosen“ auf: Von 3.723 im Jahr 2016 erhöhte sich diese Zahl auf 4.255 in 2018 (letzte Angaben). Vor allem Menschen, die wie Blum unter freiem Himmel arbeiten, sind betroffen – sie sind auf den Feldern bei der Ernte, im Gartenbau oder auf den Straßen und Baustellen der steigenden UV-Belastung ausgesetzt.
Seit das sogenannte Plattenepithelkarzinom 2015 in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen wurde, sehen sich Berufsgenossenschaften wie die BG Bau mit der Tatsache konfrontiert, dass der Weiße Hautkrebs den Spitzenplatz bei den angezeigten Berufskrankheiten einnimmt. Das war nach neuesten Zahlen auch 2019 wieder so. 2016 lagen 2671 Anzeigen mit Verdacht auf Weißen Hautkrebs vor, im letzten Jahr waren es 3131. Einen ähnlichen Trend sieht die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG): 2018 wurden 2438 Fälle von Weißem Hautkrebs als Berufskrankheit angezeigt, 2017 waren es 2190. Ausführliche Informationen gibt es dazu auch in der ASU – Zeitschrift für medizinische Prävention, Ausgabe 2/2020.
Schäden entwickeln sich über Jahrzehnte
Die Gefahr geht vor allem von den UV-Strahlen aus – sie dringen tief in die Hautschichten ein, dadurch könne sie die Erbsubstanz schädigen und Hautkrebs auslösen. „Diese Strahlung nehmen wir nicht wahr“, sagt Dermatologe Christoph Skudlik, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Berufs-und Umweltdermatologie (ABD). Er weiß: Das Sonnenlicht hellt zwar die Psyche auf, aber die Haut kann fast darauf verzichten: „Wir brauchen lediglich eine sehr kurzzeitige Dosis pro Woche, die einen kleinen Teil unseres Körpers erreicht. Dadurch wird die Produktion von Vitamin D unterstützt, das wir für den Stoffwechsel brauchen.“ Eine Grenze ist bei einem akuten Sonnenbrand, der innerhalb von Minuten entsteht, bereits überschritten. Anders sieht es aus Sicht des Experten bei chronischen Lichtschäden aus, die sich durch jahre- bis jahrzehntelange Strahlung entwickeln. Skudlik: „Ich sehe jetzt Menschen mit Schäden, die sich seit den 70er-Jahren entwickelt haben.“ Aus Sicht des Dermatologen ist ein Bewusstseinswandel bei Jüngeren und Berufseinsteigern dringend notwendig: „Bräune und sonnengegerbte Haut sollten nicht als cool gelten – das bessere Vorbild ist der australische Feuerwehrmann, der sich wie ein Profi schützt.“
Auch Landwirt Leo Blum, bis vor kurzem Vorstandsvorsitzender der SVLFG sowie Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, will aufklären und verhindern, dass andere wie er erkranken. Das gilt etwa für Sohn René, der den Hof vom Vater übernommen hat, und dessen Mitarbeiter. „Nach einer Behandlung in einem Haut- und Laserzentrum schütze ich mich heute konsequent mit Kopfbedeckung und Sonnencreme. Auch meine Familie ist besonders sensibilisiert und meidet die Sonne“, erklärt der Senior-Chef.
Gesetzliche Verpflichtungen der Unternehmen
Zu einigen wichtigen Maßnahmen in Sachen Sonnenschutz sind Unternehmer auch gesetzlich verpflichtet – darüber informieren der Betriebsarzt und die Berufsgenossenschaften. Seit Herbst 2019 ist laut der geänderten Arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung (ArbMedVV) festgelegt, dass sich Arbeitnehmer zu dem besten Schutz für sie persönlich vom Betriebsarzt beraten lassen können. Schon die Organisation des Arbeitstages spielt bei diesem Schutz eine Rolle: Zwischen elf und 15 Uhr strahlt die Sonne in unseren Breitengraden von Juni bis August besonders intensiv. Dann sollte nur, wenn es notwendig ist, unter freiem Himmel gearbeitet werden. Der UV-Index gibt die Stärke der Belastung an – er hilft Unternehmern dabei, festzustellen, wie gefährdet ihre Mitarbeiter sind. Der Index ist beim Deutschen Wetterdienst unter www.uv-index.de oder www.dwd.de abrufbar. Auf Basis der Gefährdung müssen Schutzmaßnahmen festgelegt und dokumentiert werden Auf dem Hof der Blums sind Arbeiten mit nacktem Oberkörper tabu. Die Devise lautet stattdessen: Viel trinken, leichte Mahlzeiten und Pausen im Schatten machen.
Zu den technischen Möglichkeiten, um UV-Strahlen abzuhalten, zählen ein Sonnensegel oder -schirm über dem Arbeitsplatz und Fahrerkabinen an Baufahrzeugen, die UV-absorbierende Gläser besitzen. Es muss kein Anzug aus UV-abwehrenden Spezialtextilien sein – langärmelige, dicht gewebte Shirts und eine breitkrempige Kopfbedeckung, die auch den Nacken und die Seiten schützt, reichen nach Ansicht der Fachleute aus. Für Bauarbeiter gibt es Helme mit einem sogenannten Blendring. Und apropos Blendung: Eine Schutzbrille verhindert, dass die UV-Strahlen Grauen Star auslösen.
Lichtschutz nach der Zwei-Finger-Regel
Draußen zu arbeiten bedeutet oft auch, ordentlich zu schwitzen. Deshalb gilt es besonders, sich regelmäßig gut einzucremen – damit der Lichtschutz der Haut auch wirklich verlängert wird. Unternehmen müssen dafür die Sonnencreme zur Verfügung stellen. „Ein Lichtschutzfaktor 50+ ist ratsam, außerdem sollte man die Zwei-Finger-Regel einhalten“, meint Dermatologe Skudlik. Das bedeutet, auf die Glieder des Mittel- und Ringfingers einer Hand zugleich einen Streifen Creme aufzutragen. „Das ist die erforderliche Menge für ein Hautareal, damit können also jeweils entweder Gesicht, Hals oder ein Arm eingecremt werden.“ Nach zwei Stunden ist nachcremen sinnvoll, allerdings verlängert sich dadurch der Eigenschutz der Haut nicht zusätzlich. Der Eigenschutz unterscheidet sich je nach Hauttyp.
GENESIS misst Belastung in der Freizeit
Für Unternehmen, die ihre Mitarbeiter sicher abschirmen wollen, bietet die BG Bau Beratungsgespräche in Betrieben an und fördert mit Arbeitsschutzprämien beispielsweise spezielle Wetterschutzdächer. Jeder, der viel unter freiem Himmel arbeitet, muss aber auch auf sich selbst und die Kollegen achtgeben, um Hautschäden zu verhindern. Vor allem den Älteren gibt Dermatologe Skudlik daher den Tipp, mit ihrem behandelnden Arzt über Alternativen für bestimmte Medikamente zu sprechen, die ihre Haut noch lichtempfindlicher machen und das Hautkrebsrisiko erhöhen können. Gemeint sind z. B. solche mit dem Wirkstoff Hydrochlorothiazid (HCT oder auch HTZ genannt). Das ist eine harntreibende Substanz, die etwa bei der Behandlung von Bluthochdruck verwendet wird. Die Tatsache, dass viele „Draußenarbeiter“ auch nach Feierabend noch in der Sonne unterwegs sind – zum Beispiel beim Fahrradfahren – , hat jetzt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) ins Visier genommen: Sie ermittelt aktuell in ihrem Projekt „Genesis-UV“ nicht nur gezielt die UV-Belastung innerhalb verschiedener Jobs, sondern auch diejenige in der Freizeit. Wer messen lassen möchte, wie hoch seine UV-Belastung in der Freizeit ist, kann sich als Teilnehmer des Projektes „Genesis-UV“ melden.
Hautschäden erkennen und behandeln
Einmal nicht aufgepasst und schon ist es passiert: feuerrote Haut, die sogar Blasen werfen kann. Ein akuter, schwerer Sonnenbrand sollte aus Sicht des Dermatologen Christoph Skudlik vor allem gekühlt werden – etwa mit feuchten Umschlägen – und anschließend mit kortisonhaltigen Lotionen oder entzündungshemmenden Medikamenten behandelt werden. Der Weiße Hautkrebs ist eine chronische Erkrankung mit einer gut erkennbaren Vorstufe, den „Aktinischen Keratosen“. Das sind raue Hautstellen, die sich anfühlen wie Sandpapier – sie treten an den „Sonnenterrassen“ des Körpers wie Stirn, Ohren, Wangen oder Nasenrücken auf. Ihre Farbe variiert von hautfarben über gelblich bis rötlich und sie können gut behandelt werden, wenn man sie früh erkennt. Zu den Methoden zählen die Vereisung, das Abtragen bei einer Operation oder mittels Laser. Wenn eine größere Hautfläche betroffen ist (Experten sprechen von einer so genannten Feldkanzerisierung) können bestimmte, das Immunsystem aktivierende Cremes aufgetragen werden. Möglich ist ebenso eine Behandlung mit Licht (Photodynamische Therapie, PDT). Bei einer PDT wird zunächst ein Medikament auf die Haut aufgetragen, das die geschädigten Zellen lichtempfindlich macht („photosensibilisiert“). Wenn sie mit Tageslicht oder einer künstlichen Lichtquelle beleuchtet werden, bilden sich spezielle Sauerstoffmoleküle, die die kranken Zellen zerstören. „Aktinische Keratosen sind allerdings wie Unkraut auf einer Wiese“, erklärt Hautarzt Skudlik. „Sie kehren immer wieder und müssen dann beseitigt werden.“