Die Basi im Dialog mit DGUV und EU-OSHA: So können Firmen resilient werden
Arbeitsverdichtung vermeiden, die Digitalisierung meistern und Folgen des Klimawandels sowie der Dekarbonisierung bewältigen – das sind nur einige von vielen Herausforderungen, die künftig auf den Arbeitsschutz zukommen. Wie Risiken wissenschaftlich ermittelt werden und was schon jetzt getan wird, um ihnen zu begegnen, darum ging es in der hybriden Veranstaltung „Die Basi im Dialog mit der DGUV und der EU-OSHA“ in Berlin. Rund 490 Teilnehmende beteiligten sich lebhaft an Umfragen und stellten zahlreiche Fragen an Dr. Christian Felten, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (Basi), der den Dialog leitete. Seine Gesprächspartner waren Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Professor Dr. Dietmar Reinert, Leiter des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), Dr. Dietmar Elsler, Projektmanager von der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA)
Das System der Risiko-Ermittlung
Professor Dietmar Reinert ist verantwortlich für das Risiko-Observatorium der DGUV. Er erläuterte dessen System, in dem mithilfe von regelmäßigen Umfragen, in die auch Zukunftsexperten einbezogen werden, Schwerpunkte im Hinblick auf die Zukunft des Arbeitsschutzes gebildet werden. Die Forschungsergebnisse des Risiko-Observatoriums werden ergänzt durch die Resultate einer Trendsuche nach dem Vorbild der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) und den Themenmonitor, der aktuelle Fragestellungen in Betrieben ermittelt. „Daraus ergibt sich das Präventionsradar für die nähere, mittlere und fernere Zukunft“, erklärte Reinert.
Mit Szenarien Schlüsselfaktoren feststellen
Antizipation und Bewältigung des Wandels stellte Projektmanager Dr. Dietmar Elsler als Aufgaben der EU-OSHA vor. „Der Wandel ist vor allem grün, digital und demographisch – das sind die drei Megatrends, bei denen wir schauen müssen, welche Auswirkungen sie auf den Arbeitsschutz haben“, so Elsler. Dafür entwerfe man langfristige Szenarien und arbeite mit Prognosezyklen, etwa zur Kreislaufwirtschaft innerhalb der EU, zu den so genannten „Green Jobs“ (Arbeiten im Umweltbereich) oder zum großen Thema Digitalisierung, das ab Herbst 2023 auch die nächste Kampagne der EU-OSHA bestimmt. Anhand von Szenarien werden die Schlüsselfaktoren der verschiedenen Bereiche festgestellt – daraufhin nimmt die EU-OSHA mit ihren Partnern die Personengruppen und Branchen in den Blick, welche besonders betroffen sind.
Branchen im Wandel
Relevante Zukunftstrends sind regelmäßig Themen von Strategiegesprächen sowie den Überlegungen der Geschäftsführenden und des Vorstands der Unfallversicherungsträger – das erklärte Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Er hob unter anderem die Bedeutung von inspirierenden Gesprächen bei nationalen ebenso wie internationalen Veranstaltungen hervor und nannte einen Wandel bestimmter, vor allem energieintensiver Branchen wie etwa der Stahlindustrie als zukunftsweisendes Beispiel: „Die Stahl-Produktion wird künftig wasserstoffbasiert ablaufen. Auf die damit verbundene Umstellung von Prozessen müssen wir uns einstellen und Antworten auf Fragen haben, die in diesem Zusammenhang gestellt werden. Denn auch die Arbeitsbedingungen werden sich dadurch ändern,“ so Hussy.
Künstliche Intelligenz richtig nutzen
Auf welche Weise künstliche Intelligenz bereits jetzt zum besseren Umgang mit Risiken im Arbeitsschutz eingesetzt wird, das stellte Professor Dietmar Reinert am Beispiel eines Herstellers von Kreissägen dar. Dessen Produkte können anhand eines Kamerasystems Hände von Holz unterscheiden, um Verletzungen zu vermeiden. „Die KI kann allerdings immer nur einzelne Aufgaben erledigen und nicht vielfältig eingesetzt werden wie wir Menschen“, betonte Reinert. Dass die Digitalisierung nicht nur Probleme schaffen, sondern auch lösen könne, erläuterte er anhand von Exoskeletten: Diese böten enorme Chancen, schwere Lasten leichter zu heben und zu transportieren – vorausgesetzt, man habe in den Betrieben die Risiken im Blick: So dürfe durch ein Exoskelett etwa die Bewegungsfähigkeit nicht eingeschränkt werden, damit keine Fehlhaltungen entstehen.
Wichtige Themen für künftige Präventionsarbeit
Psychische Belastungen, Digitalisierung / Künstliche Intelligenz sowie die Folgen des Klimawandels / „Green Deal“ der EU wurden von den Teilnehmenden der Veranstaltung als die drei wichtigsten Themen für die Ausrichtung der künftigen Präventionsarbeit ausgewählt. Auch der Fachkräftemangel lag bei der Abstimmung weit vorne. Die Erfahrung zeige, dass die Arbeitsverdichtung ebenso wie der Fachkräftemangel und die Digitalisierung auch bei den Befragungen des Risiko-Observatoriums eine große Rolle spiele, erklärte Professor Dietmar Reinert. Gebe es zu wenige Menschen, die die anstehende Arbeit erledigen sollen, führe dies zu psychischen Belastungen. Reinert verwies auf online verfügbare Tools, die dabei helfen können, mögliche Quellen von Arbeitsverdichtung herauszufinden und Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Dr. Dietmar Elsler erläuterte die Hintergründe des Green Deals – dem Ziel der EU, bis zum Jahr 2050 mithilfe von Maßnahmen in verschiedenen Bereichen wie dem Handel von Treibhausgasen klimaneutral zu werden. Der Arbeitsschutz müsse sich in diesem Zusammenhang – nach Worten von Elsler – mit ganz neuen Risiken beschäftigen, die zum Beispiel bei der Montage von Turbinen in Offshore-Windenergieparks oder beim Rückbau von alten Kraftwerken entstehen können.
Dr. Stefan Hussy betonte, die Unfallversicherung und der Arbeitsschutz seien nicht diejenigen, die den Klimawandel verhindern könnten – man müsse lernen, mit den Folgen am Arbeitsplatz umzugehen. Hierzu könne es notwendig werden, in Länder zu schauen, die Erfahrungen mit speziellen Anforderungen an Gebäude (etwa Industriehallen in warmen Klimazonen) haben. Untersuchungen des IAG zeigen nach Aussagen von Hussy, dass durch den Klimawandel auch psychische Belastungen entstehen können. „Wir können Firmen dabei unterstützen, ihren Mitarbeitenden mehr Sicherheit zu vermitteln“, mit diesen Worten eröffnete der DGUV-Hauptgeschäftsführer eine mögliche Perspektive. Er hob hervor, wie wichtig es sei, dass die Unternehmen ebenso wie die Gesellschaft resilient werden, um mit Belastungen besser umgehen zu können: „Ein erfolgreiches Unternehmen hat Veränderung und Resilienz im Kern.“ Resilienz bedeute auch, Veränderungen anzunehmen und als Chance zu begreifen, so Hussy.
Schon jetzt Strategien in die Wege leiten
Eine breite Mehrheit der Teilnehmenden sprach sich dafür aus, bereits heute vorhandene Erkenntnisse von Trendermittlungen und Risikoforschung zu nutzen, um Präventionsstrategien einzuleiten. „Dahinter steht eine Erwartungshaltung“, stellte DGUV-Hauptgeschäftsführer Dr. Hussy fest und erklärte, dieser wolle man Rechnung tragen, indem die Unfallversicherungsversicherungsträger sich zukunftsfähig aufstellten: Sie müssten in der Lage sein, sich auf schnelle Veränderungen einzustellen, um auch auf überraschende Fragen (etwa im Zusammenhang mit Pandemien wie Covid-19) Antworten geben zu können – in Abstimmung mit anderen Partnern und mithilfe ständiger Weiterentwicklung.
Weitere Informationen und Antworten auf Fragen (in Kürze) finden sich auf Seite zur Veranstaltung Basi im Dialog mit der DGUV und der EU-OSHA.