Im Gespräch:

Diabetes – der Lebensstil hilft, vorzubeugen

„Zucker“ ist eine typische Wohlstandskrankheit: falsche Ernährung und zu wenig Bewegung gelten neben einer familiären Veranlagung als wichtigste Ursachen. Aber: Dadurch eröffnen sich auch gute Chancen, rechtzeitig vorzubeugen, bevor ein Diabetes Typ 2 entsteht. Was das für betriebliche Akteure, Arbeitgeber sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutet, erklärt Professor Stephan Martin, Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum (WDGZ) im Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf im Interview.

Wie kann man Diabetes vorbeugen?

Prof. Martin: Wer kein Übergewicht hat oder bei zu vielen Pfunden auf den Rippen seinen Lebensstil konsequent ändert, sich mehr bewegt und abnimmt, kann Diabetes verhindern. Auf diese Weise kann sich die Erkrankung sogar rückgängig machen, wir sprechen von einer so genannten Remission. Das hat eine englische schwedische Studie gezeigt – bei der Hälfte der Patienten mit Typ-2-Diabetes mit einer Erkrankungsdauer von circa vier Jahren, die durch ein spezielles Programm deutlich Gewicht verloren haben, ist der Diabetes komplett verschwunden!

Inwiefern ist die Arbeitswelt davon betroffen?

Prof. Martin: Natürlich ist jeder in erster Linie selbst dafür verantwortlich, dass er zu viel sitzt und zu viele Pfunde auf die Waage bringt. Allerdings hat sich die Arbeitswelt ja in den letzten Jahren so verändert, dass wir durch die Computerisierung und Fortentwicklung der Technik keine Muskelkraft mehr benötigen, sondern stattdessen stundenlang vor dem Rechner hocken. In der Freizeit setzt sich das dann fort. Hinzu kommt, dass Lebensmittel im Vergleich zu früher viel günstiger geworden sind, die Essensportionen wurden größer und die Zusammensetzung der Nahrung hat sich verändert. Häufig wird zu viel Zucker und Kohlenhydrate in Form von Limonade, Cola, Obstsäften, aber auch belegte Brötchen aufgenommen. Bei Besprechungen stehen immer Kekse und Süßigkeiten zur Verfügung, häufig merkt man gar nicht, wie viel man da isst. Deshalb plädiere ich für eine neue Form der betrieblichen Gesundheitsfürsorge im Hinblick auf Früherkennung und Prävention. Davon profitieren Arbeitnehmer, die gesünder bleiben, eine bessere Lebensqualität haben und in Anbetracht der längeren Lebensarbeitszeit auch vermeiden können, dass sie finanzielle Nachteile haben, weil sie früher in Rente gehen. Arbeitgeber haben im Gegenzug fittere Mitarbeiter, die weniger krankheitsbedingt arbeitsunfähig werden – was die Lohnnebenkosten reduziert.

Was sollte geschehen, um dies zu erreichen?

Prof. Martin: Ich rate Betrieben dazu, in einen freiwilligen systematischen Check-Up ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren, wie er im Top-Management schon angeboten wird. So könnte man Menschen helfen, die schon Risiken für Diabetes tragen, etwa zu viele Pfunde auf die Waage bringen, einen erhöhten Blutdruck und einen grenzwertigen Blutzuckerspiegel haben. In Japan ist dies schon durchaus üblich. Eine solche Vorsorgeuntersuchung, die aus arbeitsmedizinischen und diabetologisch abgestimmten Untersuchungseinheiten besteht,  kann mit einer Beratung und einem Projekt zum Abnehmen bzw. „in Bewegung kommen“ – etwa mithilfe eines Schrittzählers – verbunden werden, wie dies beispielsweise das Deutsche Institut für Telemedizin und Gesundheitsförderung (DITG) anbietet. An einem solchen Projekt, das etwa erfolgreich mit Mitarbeitern der Provinzial Versicherung umgesetzt wurde, kann man diskret teilnehmen, so dass niemand außer den Betroffenen im Betrieb etwas davon mitbekommt. Außer der Tatsache, dass diese wieder schlanker und fitter werden. (Mehr Informationen unter www.ditg.de)

Welche Rolle spielt die Ernährung dabei?

Prof. Martin: Eine sehr große, denn viele Menschen essen an fünf Tagen in der Woche in der Kantine und ansonsten häufig in Restaurants – man spricht von „social business eating“. Dabei werden dann oft ungesunde Gerichte wie Currywurst mit Pommes Frites aufgetischt oder der Hungrige isst zwischendurch ein Brötchen und nimmt so nur überflüssige Kohlenhydrate zu sich.  Diese Lebensmittel sollten deutlich teurer sein als gesunde Alternativen wie Mahlzeiten mit frischem Gemüse oder Salat.

Gibt es noch andere Möglichkeiten, seinen Ernährungsstil im Büroalltag umzustellen?

Prof. Martin: Es geht nicht unbedingt darum, weniger Fett zu sich zu nehmen – sondern vor allem darum, die Kohlenhydrate zu reduzieren. So lässt sich der Insulinspiegel niedrig halten und der Blutzuckerspiegel steigt nicht so stark an. Eine Studie zur mediterranen Ernährung zeigt: Stattdessen gehören Olivenöl und Nüsse auf den Speiseplan, will man die Entwicklung von Diabetes ausbremsen sowie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle vermindern. Dabei kann man durchaus mal Formuladiäten einsetzen, bei denen eine Mahlzeit durch einen Proteinshake ersetzt wird. Wenn man dadurch schnell ein paar Pfunde verliert, kann das motivieren, den Weg in ein gesünderes Leben zu ebnen!

„Das neue Diabetes-Programm“ ist der Titel des aktuellen Buchs von Professor Stephan Martin, mehr Informationen gibt es hier.