Mach mal Pause!
Die Arbeit unterbrechen – aber richtig…

Kurz zum Fenster hinausschauen oder eine Runde an der frischen Luft drehen – Pause ist nicht gleich Pause. Und jeder macht sie anders, immer mehr Menschen lassen sie sogar ausfallen – ohne an den Wert zu denken, der ihnen dadurch verloren geht. Ein Plädoyer für die richtige Art der Arbeitsunterbrechung, die Antwort auf die Frage, warum diese alles andere als banal ist und wichtige Anregungen dazu, wie Pausen in den Alltag eingebaut werden können.

Entspannter Arbeitnehmer

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Was ist eine Pause?

„Eine völlig normale Verhaltensweise, denn kaum jemand kann konzentriert und fehlerfrei über mehrere Stunden durcharbeiten“, sagt Diplom-Psychologe Johannes Wendsche von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Er hat sich in seiner Doktorarbeit mit den Mechanismen und der Wirkung von Kurzpausen auf die Folgen von Beanspruchung (also etwa Ermüdung oder Leistungstiefs) befasst. In der Arbeitswissenschaft versteht man unter Ruhepausen „Arbeitsunterbrechungen verschiedener Länge, die zwischen zwei in einer Arbeitsschicht vorkommenden Tätigkeitszeiten auftreten und der Erholung des Arbeiters dienen.“ (Graf, Rutenfranz, & Ulich, 1970). Doch Pause ist nicht gleich Pause. Laut Arbeitszeitgesetz sind Kurzpausen solche Erholungsphasen, die weniger als 15 Minuten andauern. Ein spezielle Form der Kurzpause sind Mikropausen, die wenige Sekunden bis zu einer Minute dauern – zum Beispiel, wenn man mal kurz vom Computerbildschirm aufsteht und aus dem Fenster schaut. Das Arbeitszeitgesetz schreibt in Paragraf IV nach sechs Stunden Arbeit eine halbe Stunde Pause vor.

Warum sind Pausen eigentlich wichtig?

Wer über der Lösung eines Problems grübelt, sollte ebenso zwischendrin Pausen machen wie jemand, der stundenlang für die nächste Prüfung lernt. „Es gibt Meta-Analysen dazu, dass eine entspannende Unterbrechung die Kreativität und Lernleistung fördert“, erläutert Psychologe Wendsche. Lernen mit Pausen verlaufe erwiesenermaßen effektiver und Erholung sei so relevant für Lebewesen, dass diese ohne sie schlechte Überlebenschancen hätten. Das habe sich laut dem Experten bei Untersuchungen an Tieren erweisen, die man dauerhaft nicht habe schlafen lassen. Auf den Menschen bezogen gibt es Studien, die zeigen, dass unsere Muskeln beim Heben von Gewichten ohne Erholungspausen an ihre Grenzen kommen. Arbeit und Erholung sind also zwei wechselseitig abhängige, zyklisch ablaufende Prozesse (siehe Grafik der Forscher Wieland-Eckelmann & Baggen): (hier Grafik aus Präsentation Wendsche, Folie 5, Hinweis: in Anlehnung an Wieland-Eckelmann & Baggen, 1994)

Was pausenloses Arbeiten mit dem Körper anrichtet, schildert Arbeitsmedizinerin Dr. med. Monika Stichert: „Man weiß, dass müde und ausgebrannte Menschen langfristig auf jeden Fall ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben – sie leiden dann etwa unter Bluthochdruck, Magen-Darm-Problemen, Migräneanfällen oder Burnout.“ Mittel- und kurzfristig kann man laut der Spezialistin bei Überlastung und mangelndem Pausenregime nach der Arbeit nicht mehr abschalten. Die Folge: Ein- und Durchschlafstörungen, man wird krankheitsanfälliger durch eine Schwächung des Immunsystems. Stichert: „Je länger wir uns belastet haben, umso länger dauert auch die Erholungsphase und im Alter verlängert sich die Regenerationszeit noch zusätzlich; ansonsten kommt es zu einem Anstieg der Beanspruchungsfolgen.“ Zu diesen Folgen zählt etwa die geistige bzw. psychische Überlastung, die nach ihren Worten entweder zu „Überdrehtsein“ oder dazu führt, dass wir nicht mehr zur Ruhe kommen. Der Hintergrund: Der Stresshormonspiegel, vor allem das Cortisol mit einer Halbwertszeit von etwa 14 Stunden, nimmt überhand. Über die Folgen psychischer Ermüdung sagte der Arbeitszeitforscher Professor Friedhelm Nachreiner in der Zeitschrift „Gute Arbeit“ (3/2016): „Nach pausenloser mentaler Arbeit steigt das Risiko von Fehlhandlungen exponentiell, also überproportional an.“ Ein wichtiger Grund, weshalb Pausen einen festen Platz in Dienstvereinbarungen haben und auch eine Rolle in Gefährdungsbeurteilungen spielen.

Wann sollte man Pause machen – und wie lange?

„Grundsätzlich ist es für den Körper günstig, zeitig Pausen einzulegen – deshalb sollte man nicht warten, bis man müde wird“, erklärt Wissenschaftler Johannes Wendsche. Die rechtlich vorgeschriebene halbstündige Unterbrechung kann daher unter Umständen zu spät kommen. Eine Aufteilung in mehrere kürzere Pausen ist aus arbeitswissenschaftlicher Sicht günstiger. „Dafür spricht auch, dass die Ermüdung zunächst schnell abklingt, doch dieser Effekt hält nicht über eine halbe Stunde an“, sagt Johannes Wendsche. Allerdings sind auch tagtäglich längere Pausen notwendig: für die Einnahme von Mahlzeiten, den Gang in die Natur oder den sozialen Austausch mit Kollegen und Kolleginnen. Der Diplom-Psychologe empfiehlt deshalb neben einer längeren Pause auch zusätzliche kurze Pausen einzuplanen.

Schlafen bei der Arbeit

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Wie schöpfen Menschen am besten wieder Kraft?

Jeder erholt sich auf seine Weise – das weiß Ulrike Reiche, die als systemischer

Coach und Organisationsberaterin schwerpunktmäßig in den Themenfeldern Arbeitszeitgestaltung und betriebliche Gesundheit arbeitet. Sie hilft Unternehmen dabei, die Leistungsfähigkeit der Belegschaft zu steigern und geeignete Arbeitsbedingungen zu schaffen. „Während der eine durch Bewegung zur Ruhe kommt, legt sich der andere lieber aufs Ohr“, erklärt die Frau, die just an drei Ratgeber-Büchern zur Pause (unterwegs, bei der Arbeit und zu Hause, siehe Kasten) schreibt. Ihr Tipp: Bei einer Teambuildingmaßnahme herausfinden, wer sich in der Pause gern mit den Kollegen in der Kantine unterhält und wer sich lieber allein und in Ruhe erholt. „Jeder kann auch für sich überlegen, was ihm gut tut und seine Pause entsprechend planen, indem er bei gutem Wetter zum Beispiel im Park spazieren geht“, so Reiche. Warum bewegte Pausen sinnvoll sind, das erklärt Arbeitsmedizinerin Dr. Monika Stichert: „Den erhöhten Cortisolspiegel, der im Körper durch Stress entsteht, kann man durch Bewegung wieder reduzieren. Dies hilft, wieder zur Ruhe zu kommen.

 

Warum fallen Pausen häufig aus?

Es gibt in vielen Fällen kein Pausenregime mit festgelegten Unterbrechungszeiten mehr wie die so genannte „Steinkühlerpause“. Diese Tarifregelung zu Bedürfnis- und Erholpausen für Bandarbeiter wurde 1973 erstreikt und nach dem damaligen Verhandlungsführer Franz Steinkühler der IG Metall in Baden-Württemberg benannt. Sie besagt, dass Akkordarbeiterinnen und -arbeitern eine zusätzliche Erholungspause von fünf Minuten je Arbeitsstunde zusteht (Steinkühlerpause). Hinzu kommen mindestens drei Minuten Zeit für persönliche Bedürfnisse pro Arbeitsstunde (Pinkelpause). Solche Vereinbarungen sind selbst in Zeiten von Sparmaßnahmen für engagierte Betriebsräte wie Uwe Hück, Betriebsratschef bei Porsche, nicht verhandelbar. Allerdings stehen ihnen nach Erfahrung von Wissenschaftler Johannes Wendsche und Unternehmenscoach Ulrike Reiche flexible Arbeitszeiten entgegen. Sie sorgen dafür, dass Menschen frei zwischendrin entscheiden und selbst organisieren müssen, wann sie sich erholen. Mit der Folge, dass sie immer häufiger einfach durcharbeiten – laut dem BAuA-Stressreport 2012 tut dies schon ein Viertel der Beschäftigten. „Das geschieht oft aus lauter Pflichterfüllung. Die Menschen nehmen die Anliegen, die von außen an sie herangetragen werden, ernster als das eigene Wohlbefinden“, sagte Reiche.

Wie können Menschen dazu motiviert werden, zwischendurch auszuspannen?

Weil die Pause eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Arbeitszeit spielt, ist sie nach Ansicht von Ulrike Reiche und Johannes Wendsche auch Chefsache. „Führungskräfte sollten Vorbilder sein und Mitarbeiter, die ständig durcharbeiten, zur Pause auffordern“, sagt Coach Ulrike Reiche. Allen, die Probleme haben, die Arbeit zwischendurch ruhen zu lassen, empfiehlt sie eine Übung in Selbstwahrnehmung – indem sie sich beobachten und feststellen, wann sie müde werden, um rechtzeitig in Bewegung zu kommen bzw. sich gegebenenfalls hinzulegen. Im Team können sich Geschäftspartner gegenseitig auffordern, zu pausieren – oder es gibt Kolleginnen und Kollegen, die andere disziplinieren und diese beispielsweise zu einem Kaffee einladen. Wer befürchtet, seine Aufgaben nicht zu schaffen, den beruhigt Psychologe Wendsche: „Studien zeigen, dass man seine Arbeit effektiver erledigt, wenn man zwischendurch eine vorausgeplante, kurze Pause macht.“

Auf welche Weise werden Pausen in den Arbeitsalltag eingebaut?

Die Zeitfenster, in denen eine Pause nötig und sinnvoll ist, können mithilfe von Apps und entsprechenden Computerprogrammen im beruflichen Alltag eingeplant werden – eine Auswahl findet sich im Info-Kasten. „Das bedeutet, man wird daran erinnert und bekommt zum Teil sinnvolle Ausgleichsaktivitäten in Videos gezeigt, die die Erholung zusätzlich unterstützen können“, sagt Diplom-Psychologe Johannes Wendsche von der BAuA, der selbst ein Verfahren dafür entwickelt hat: „Der Pausencheck ist ein Checklistenverfahren, mit dem man die Qualität der Pausenorganisation für Tätigkeitsgruppen in einem Betrieb anhand von 49 Kriterien abschätzen kann.“ (mehr dazu im Info-Kasten). Eine sinnvolle Pausenregelung kann auch preiswürdig sein: So zeichnete die Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege das Kurzpausensystem mit Dienstvereinbarung im Albert-Schweitzer-Seniorenheim im sächsischen Riesa aus. Dort haben inzwischen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Anspruch auf zusätzliche drei Minuten bezahlte Pause pro Arbeitsstunde.

 

Lohnende Pausen

Die so genannte „lohnende Pause“ untersuchten Anfang des 20. Jahrhunderts der Psychiater Emil Kraepelin mit seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern, unter anderem Otto Graf, dem späteren Professor für Arbeitspsychologie. Dieser zeigte in zahlreichen Untersuchungen, dass die Zeit für zusätzliche Arbeitspausen im Produktionsprozess nicht verloren geht, sondern unter bestimmten Bedingungen sogar einen Leistungsmehrwert schafft. Johannes Wendsche ergänzt: „Spätere Untersuchungen konnten dies wiederholt für verschiedene Tätigkeiten bestätigen. Wie es scheint, gerät die wichtige positive Wirkung von Pausen für den Erhalt der Arbeitsfähigkeit heute etwas aus dem Blick. Ein notwendiger Zeitpunkt, sich wieder vermehrt ihrer lohnenden Wirkung zu besinnen.“

Buchtipps

Ratgeber vom Pausen-Coach Ulrike Reiche( erscheinen im Januar 2017).

„slow time“ von Johannes Lauterbach.

 

Links zu Apps und Computerprogrammen für das Pausenregime

  • Ein Programm, das bei der Erholung unterstützt: workrave.
  • Krankenkassen wie die Techniker Krankenkasse (TK) oder die Ergo bieten Hinweise zur Pausengymnastik an.
  • Das Seniorenhaus „Albert Schweitzer“ belegte mit der Einführung eines Kurzpausensystems „Reden ist Silber, Pause ist Gold!“ den 2. Platz in der Kategorie stationär beim BGW-Gesundheitspreis 2015

Mehr Informationen zum Pausencheck von Johannes Wendsche

Wendsche, J. (2015). Optimale Erholung während der Arbeit: Wie man Pausensysteme bewerten kann. Wirtschaftspsychologie aktuell, 22(1), 9-12.

Eder, B.-C. & Wendsche, J. (2014). Evaluierung der psychischen und physischen Ent-Lastung. Sichere Arbeit, 6, 22 – 28.

 

Mehr erfahren: Faktenblatt der BauA zum Thema Pause.